Page - 331 - in Österreichische National-Enzyklopädie - Buchstabe A-D, Volume 1
Image of the Page - 331 -
Text of the Page - 331 -
B ö h m e n , I. Ge sch i ch te. 83l
von deutschen Rathsmännern zu Prag entworfen. Deutschen vertraute
er die Regierungsgeschäfte an, und die Böhmen durch das Neue und Unge-
wohnte, das sie an seinem Hofe sahen, mächtig gereizt, nahmen eine
bis dahin unbekannte Lebensart und Gebräuche an, die erst vorzüglich
unter seinem Sohne Car l IV. zur wohlthätigen Wirksamkeit reiften.
Er war es, der B.s Wohlstand auf das Höchste gebracht, und mit der
ihm von Deutschlands Churfürsten übertragenen Kaiserwürde auch allen
Olanz des kaiserlichen Hofes in sein Land gezogen hatte. Prag wurde
unter ihm nicht nur die volkreichste Stadt Deutschlands, sondern auch
der Sammelplatz der Künste und Wissenschaften, welche durch die 1343
neu gestiftete Universität noch mehr ausgebildet, und von hier verbreitet
werden sollten. Durch seine erste Gemahlinn Anna , des Pfalzgrafen
Rud olft h's Tochter, erhielt er 1351 verschiedene Städte und Schlösser
in der obern Pfalz, die er nachher nochmals käuflich von dem Chur-
fürsten Ruprecht , Bruder und Nachfolger Rudolph's, an sich
brachte, als seine Gemahlinn, ohne Erben zu hinterlassen, nach einer
kurzen Ehe starb. Diese Güter wurden 1373 dem Herzog Otto von
Bayern um einen Theil des Kaufschillings für die Mark Brandenburg
überlassen, welche Car l mit B. vereinte. Eben so trennte er 1355
Schlesien völlig von Polen, und verband es nebst der obern Lausitz für
immer mit B. Unter seinem Sohne Wenzel erhielt B. die erste in der
Landessprache verfasite Landgerichtsordnung, aber auch Huß und Hiero-
nymus von Prag fingen unter seiner Regierung ihr Reformations-
Werk an, das bald für B.s Wohlstand die nachtheiligsten Folgen her-
beyführte. Der wirksame Einfluß des Huß schien anfangs höchst nütz-
lich für die Cultur seiner eigenen Nation zu seyn; aber bald wurde sie
durch das erregte Interesse an Untersuchungen über alle theologische
Lehrbegriffe, über die Verhältnisse der geistlichen Macht u. s. w., ein-
seitig und verderblich. — Huß's Verdammung zum Scheiterhaufen
konnte den beabsichtigten Zweck nicht erreichen, seine Lehre selbst zu un-
terdrücken; denn schnell erschienen nach seinem Tode (1414) mehrere
Schutzschriften derselben, welche seine Partey verstärkten, unruhiger
machten, und den Bürgerkrieg herbeyführten, der unmittelbar nach
Kaiser Wenzel's Ableben 1419 ausbrach, und den größten Theil von
B., theils durch die Taboriten unter ihrem Anführer Zis ka, theils
durch die kaiserlichen Kriegsvölker, welche die Aufrührer züchtigen soll-
ten, der Verwüstung Preis gab. Wenzel's eigene Inconsequenzen
seiner Regierung, seine unglücklichen Neigungen, die von ihm erhöhten
Steuern, seine Härte und die Streitigkeiten mit dem Clerus, bey
welchen er auch einen sehr verehrten Priester, Johann von Nepo-
muk, ersäufen ließ, der nachher B.s Schutzheiliger wurde, hat zur
allgemeinen Verbreitung der Unruhen im Lande schon bey seinen Leb-
zeiten hingewirkt, ihn auf eine Zeit lang von der Regierung entfernt,
und in der letzteren Zeit sehr beschränkt; aber ihr Charakter war von
anderer Art, da sich Wenzel selbst der neuen Lehre nicht ungünstig
zeigte, die ihre Anhänger erst nach seinem Tode mit Waffengewalt er-
balten zu müssen glaubten, und unter welchen Johann von M ies ,
Niklas von Hussinez, Johann Chwal , der ehemahls kathol.
Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe A-D, Volume 1
- Title
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Subtitle
- Buchstabe A-D
- Volume
- 1
- Authors
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Publisher
- H. Strauß
- Location
- Wien
- Date
- 1835
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.3 x 22.0 cm
- Pages
- 788
- Keywords
- Nachschlagewerk, Biografien
- Categories
- Lexika National-Enzyklopädie