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454 Carl VI. Raiser.
gab, da, indem dieser keine männlichen Erben hinterlassen hatte, C. in
den Besitz der österr. Erblande kam. Er verließ nunBarcellona; Herzog
Eugen von Savoyen hatte indessen auch C.'s Kaiserwahl betrieben, und
er wurde den 22. Dec. 1711 zu Frankfurt zum deutschen Kaiser, den
' 21. May 1712 zu Preßburg zum Konig von Ungarn gekrönt, wo er
auch den Vertrag von Szathmar bestätigte. Dabey behielt er jedoch
noch immer den Titel eines Königs von Spanien bey und sehte den spani-
' schen Erbfolgekrieg fort. Als jedoch nach dem Rückzug des engl. Heeres
auch die übrigen Verbündeten 1713 zu Utrecht Frieden mit Frankreich
schloffen, unterzeichnete C. ebenfalls 1714 zu Rastadt den Frieden,
erkannte das Haus An jouaufden spanischem Thron und behielt sich nur
die europäischen Nebenländer, wodurch ihm der Besitz von Neapel, Mai-
land, Mantua, Sardinien (in der Folge gegen Sicilien vertauscht)
und der spanischen Niederlande gesichert wurde. Der wieder begonnene
Krieg mit den Türken endigte sich nach Eugen's Siegen bey Peter-
wardein und Belgrad 1718 glücklich durch den zu Passarowitz
geschlossenen Frieden, wodurch Osterreich das Banat, ganz Serbien,
die Walachey bis an den Fluß Aluta, den türkischen Antheil von Sla-
vonien und Bosnien bis an die Save bekam. Die unbestimmten und durch
öftere Theilungen veränderten Erbfolgegesetze in dem Stamme Habsburg,
der jetzt nur noch in C. VI . als dem einzigen männlichen Zweige bestand,
so wie die in dem spanischen Kriege über streitige Erbschaften gemachten
Erfahrungen, bewogen den Kaiser 1724 die pragmatische Sanction als
Hausgesetz kund zu geben, nach welchem die österr. Staaten ungetheilt
vererben und in Ermangelung männlicher Nachkommen zunächst auf seine
Töchter, nach deren Tode auf die Töchter seines Bruders Joseph, dann
auf die nächsten Abkömmlinge des Hauses nach dem Rechte der Erstge-
burt im männlichenund weiblichen Stammeübergehensollten. Nurzögernd
und nach langen Verdrießlichkeiten und Unterhandlungen erfolgte die An-
erkennung dieser Maßregel von den europaischen Hauptmächten. Als nach
dem Tode August's I I . von Polen sich Osterreich und Rußland für dessen
Sohn August I I I . , Frankreich, Spanien und Sardinien fürStanis-
laus Lescinsky erklärten, entspann sich darüber der polnische Erbfol-
gekrieg, welcherjedoch unglücklich für Osterreich ausfiel. Die Franzosen sie-
len in Lothringen, die Spanier in Italien ein, und obschon sich Augu st I I I .
in Polen behauptete, so verstand sich doch C. zur Abtretung der König-
reiche Neapel und Sicilien (wofür er Parma und Piacenza erhielt)
an den spanischen Infanten Carlos. Lothringen, welches dem Schwie-
gersohne des Kaisers, Franz Stephan, gehörte, wurde'gegen Tos-
cana vertauscht und die pragmatische Sanction nun auch von Frankreich,
Spanien, Neapel und Sardinien anerkannt. 1737 wurde C., kraft
eines früheren Vertrages mit Rußland, wider Willen in Krieg mit den
Türken verwickelt, welcher sich nach 3 unglücklichen Feldzügen dahin
endigte, daß die Pforte 1739 im Frieden zu Belgrad, Serbien und
die Walachey zurückbekam. C. starb den 20. Oct. 1740 und mit ihm er-
losch der Mannsstamm der Habsburg'schen Dynastie. —Dleser Kaiser
war als Regent und als Mensch gleich ausgezeichnet. Ein eifriger Be-
förderer der Künste und Wissenschaften, war er in den ruhigen Jahren
Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe A-D, Volume 1
- Title
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Subtitle
- Buchstabe A-D
- Volume
- 1
- Authors
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Publisher
- H. Strauß
- Location
- Wien
- Date
- 1835
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.3 x 22.0 cm
- Pages
- 788
- Keywords
- Nachschlagewerk, Biografien
- Categories
- Lexika National-Enzyklopädie