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536 Cholera im österr. Raiserstaate:c.
tet. In dem Augenblicke/ wo es am meisten Noth that, ergriff dessen
weise Regierung das einzige Mittel, wodurch dem Umsichgreifen dieser
furchtbaren Seuche am wirksamsten begegnet und der übertriebenen Furcht
und Ängstlichkeit vor derGcfahr am besten gesteuert werden konnte. Es
war dieß der bereits den 18. Sept. ausgeführte weise und höchst wohl-
thätige Beschluß der Aufhebung allerSperren und die unbeschränkteWie-
derherstellung aller gesellschaftlichen Verhältnisse, deren Störung durch
die Absperrungen am meisten Sorge, Angst und eine gewisse unheimliche
Spannung und Stimmung der Gemüther hervorgebracht, und recht eigent-
lich für das verderbliche Miasma empfanglich gemacht hatte. So war es
denn hier Österreichs erleuchtete Regierung, welche der drohenden Gefahr
am wirksamsten begegnete und allen auderen Staaten durch ihr zweck-
mäßiges Verfahren zum wohlthätigen Beyspiele wurde; hier ist denn
auch der Ort, des neuerlich an den Tag gelegten durchdringenden Verstan-
des und der richtigen Ansicht des ersten Urhebers dieser Maßregel, des
verdienstvollen geheimen Rathes und ersten Leibarztes des Kaisers, An-
dreas Freyh. von S t i f f t , dankbar und würdigend zu erwähnen.
Wirklich zeigten sich auch fast augenblicklich die wohlthätigen Folgen die-
ser Verfügung. Mit Aufhebung der Sperren kehrten wieder Muth
und Verrrauen, Ruhe und Besonnenheit in die Herzen der Bewoh-
ner der Hauptstadt, so wie des ganzen Landes ^zurück; willig, ohne
Furcht und Schert, brachte wieder Jedermann den Erkrankten Rettung
und Hülfe, neue Lebenslust kehrte in die niedergedrückten Gemüther zu-
rück, und äußerte ihre wohlthätige Wirkung. Schon den 29. Sevt.,
den zweyten Tag nach Aufhebung der Sperren, minderte sich die Zahl
der Erkrankten auf 99, den 21. auf 76 und den 22. auf 60, eine eben so
günstige Änderung in den Krankheitsverhältnissen zeigte sich auf dem
stachen Lande und in den Provinzen. Am 17. Nov. kehrten der Kaiser und
die Kaiserinn unter den lautesten Freudenbezeigungen ihrer treuen und
dankbaren Unterthanen aus Schönbrunn wieder in die Hofburg zu-
rück. — Am 28. Nov. zeigte sich die Ch„. zuerst in Prag, und begann
nun auch Böhmen zu durchziehen; in Österreich wurden jedoch die Cho-
lerafätte von Tag zu Tag seltener, und verloren sich im Monath Decem-
ber fast gänzlich. Sie zeigte sich zwar, und wie es schien, mit erneuerter
Wuth, wieder im Frühling und Sommer 1832, besonders in den
Vorstädten Wiens und auf dem flachen Lande, wurde aber fortan wie
eine gewöhnliche epidemische Krankheit behandelt, und verlor allgemach
jenen lahmenden Charakter des Schreckens, welche sich allerorts verderb-
licher als die Seuche sellm bewiesen hatte. Mit Eintritt des Winters
1332 verließ sie endlich Osterreich gänzlich, und richtete ihren unheil-
vollen Lauf, immer westlich fortschreitend, nach Frankreich, England
und bis in die andere Hemisphäre. Die größten Verwüstungen hatte die
Ch. im Königreiche Ungarn und nächst dem in Galizien angerichtet. In
Osterreich unter der Enns hatte sie vorzüglich in der Hauptstadt und de-
ren nahe gelegenen Orten gewüthet, und auch selbst der verstecktesten
Gebirgsgegenden in der anscheinend gesundesten Lage nicht geschont. In
der Stadt Baden, welche früher als ein sicheres Asyl betrachtet.wur-
de, brach sie noch im Herbste"1832 mit ziemlicher Heftigkeit aus. Oster-
Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe A-D, Volume 1
- Title
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Subtitle
- Buchstabe A-D
- Volume
- 1
- Authors
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Publisher
- H. Strauß
- Location
- Wien
- Date
- 1835
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.3 x 22.0 cm
- Pages
- 788
- Keywords
- Nachschlagewerk, Biografien
- Categories
- Lexika National-Enzyklopädie