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96 Fabriken, Fabrikation :c. in d. österr. Monarchie.
räume von ungefähr 3l) Jahren zu einem Grade der Vollkommenheit ge»
diehen, auf welchem sie in den meisten Zweigen leine Concurrenz mit
ausländischen Producten zu scheuen haben, ja viele derselben weit über-
treffen und in einigen unerreichbar dastehen, zu welch' letzter Classe die
berühmten Wiener Fortepiano, Wägen, so wie die geschmackvollen Wie-
ner Shawls und böhmischen Cattun- (Percail-) Druckwaaren gehören,
welche gewiß den meisten französischen und englischen Producten dieser
Art gleichzustellen, ja vorzuziehen sind. In neuerer Zeit wurde auch an
der Akademie der bildenden Künste in Wien eine Schule zur Anwendung
der Kunst auf Fabrikation gebildet, welche den Geschmack sehr beförderte;
es entstanden technische Lehrkanzeln an mehreren Orten; in Italien wur«
den die von der französ. Regierung begründeten Preisvertheilungen bey-
behalten und jedes Jahr, abwechselnd zu Mai land und Venedig
fortgesetzt, um den Erfindungsgeist zu wecken und verdienstvolle Unter-
nehmungen ehrenvoll auszuzeichnen. Es wurde zuerst 1828 in Prag
eine Ausstellung böhm. Industrieproducte (s. d.) angeordnet, welche spater
auch inWien durch Ign . Ri t ter v. Schönfeld (s.Ausstellungs-
Bureau) in größererAusdehnung seine Nachahmung gefunden, jedoch als
Privatunternehmung sich nicht erhalten hat. Endlich wurde auch durch das
Patent von 1820 zur Ertheilung von Privilegien über Erfindungen,
ein neuer bedeutender Schritt zur Gewerbsfreyheit gemacht, und dadurch
viele neue, mitunter sehr zweckmäßige Einrichtungen ins Leben gerufen,
indem jeder Besitzer eines solchen Privilegiums Fabrikant im ausgedehn-
testen Sinne des Wortes ist. So bildete sich denn unter dem besonderen
Schutz und durch die Munisicenz weil. des Kaisers Franz in einem vw
«hältnißmäßig sehr kurzen Zeitraume jener hohe Stand der Nationalin-
dustrie, welche gegenwärtig, etwa England und Frankreich (und viel-
leicht größtentheils nur rücksichtlich des Materials) ausgenommen, sicher
keinem andern Lande mehr nachsteht. Osterreich steht nun dadurch auf jener
glücklichen Stufe, wo es, vom Auslande beynahe gänzlich unabhängig, nicht
nur alle gewöhnlichen Hausbedürfnisse, und die meisten Lurusgegenstün-
de selbst, sondern viele sogar besser als im Auslande, die meisten eben so
gut und sehr viele überhaupt von guter Qualität erzeugt. Im Ganzen
ist beym Fabrlkswesen vor der Hand noch das Zunftsystem, da wo es ein-
geführt war, jedoch mit vielen Verbesserungen beybehalten, und die An-
näherung zur Gewerbsfreyheit geschieht, wie es die Klugheit erheischt,
nur allgemach. So gibt es daher nach dem gegenwärtigen Stande fol-
gende Classen des Fabrikwesens: 1) Meisterrechte, die noch
den Zunftverhältnissen und gewissen Zunftordnungen unterliegen. 2) Ein-
fache Befugnisse (kleine Fabriken) außer dem Zunftzwange. 3)La»-
desprivilegirte F a b r i k e n und Manufacturen. 4) Aus-
schließende Privi legien. Seit Erscheinung des erwähnten Paten-
tes wurden vom Dec. 1820 bis 1833 gegen 3,0(10 Privilegien auf alle
Arten von Fabrikationen, Kunstwerken und Oewerbsverbesserungen er-
theilt. In mehreren Provinzen der Monarchie bestehen zur Aufsicht be-
sondere Fabrikinsvectionen, so wie in den italienischen Ländern eigene
Commerzkammern. Vorzügliche Gegenstände der Fabrikation sind: Lein»
waaren aller Sorten, von den zum gemeinsten Bedarfe dienenden Stoffen,
Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe E-H, Volume 2
- Title
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Subtitle
- Buchstabe E-H
- Volume
- 2
- Authors
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Publisher
- H. Strauß
- Location
- Wien
- Date
- 1835
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.3 x 22.0 cm
- Pages
- 696
- Keywords
- Nachschlagewerk, Biografien
- Categories
- Lexika National-Enzyklopädie