Page - 173 - in Österreichische National-Enzyklopädie - Buchstabe E-H, Volume 2
Image of the Page - 173 -
Text of the Page - 173 -
Franz I., römisch-deutscher Raiser. 173
nigt, sondern F. erhob es zu einer Secundogenitur seines Hauses, in welcher
jederzeit der Ȋchstgeborne Prinz der Dynastie und dessen Nachkommen zur
Regierung gelangen sollte. 1736 vermählte sich F. mitMaria Theresia,
der Erbinn so vieler Reiche und der erhabensten Tugenden ihres berühmten
Geschlechtes. Er wurde Reichs-Generalfeldmarschall und Generalissimus
der kaiserl. Heere und stand 1738 im Kriege gegen die Türken nebst seinem
Bruder Carl an der Spitze der Armee. Car l VI. starb 1740, und Ma-
ria Theresia, welche der pragmatischen Sanction zu Folge, den
Thron der gesammten österr. Monarchie bestieg, ernannte, wegen Füh-
rung der böhm. Churstimme, ihren Gemahl zum Mitregenten, obgleich
sein Antheil an der inländischen Regierung ungeachtet der großen Liebe
zu dem Manne ihrer freyen Wahl sehr beschränkt war. Er stand ihr in-
dessen treulich in den großen Bedrängnissen des österr. Erbfolgekrieges zur
Seite. Würdiges Vorbild seiner erhabenen Enkel, war er bey der am 4.
März 1744 eingetretenen großen Überschwemmung zu Wien e!ner der
thätigsten Helfer und Retter. Mit größter Lebensgefahr fuhr er auf einem
kleinen Schiffe zwischen die Häuser der Rossau, des Th ury und der
Leopoldstadt, um den in den obern Stockwerken, ja sogar auf Dachbö-
den gefiüchteten Einwohnern eigenhändig Lebensmittel auf Stangen zu
reichen. 1745 starb Kaiser Carl VI I . und F. wurde nun einstimmig
zum römisch-deutschen Kaiser gewählt, und den 4. Oct. desselben Jahres,
an seinem Nahmensfeste zu Frankfurt am Main gekrönt. Obschon
ihm aber in den österr. Staaten als Mitregent noch immer nur ein sehr
gemessener Wirkungskreis blieb, so verdanken ihm deren öffentliche An«
stalten, Gebäude und Kunstsammlungen doch manche nützliche Einrich-
tung, viele Bereicherungen, manche ausgezeichnete Kunstschätze. Er war
in einem vorzüglichen Grade wissenschaftlich gebildet; das Münz-, Mi-
neralien- und Naturaliencabinet bereicherte er mit den kostbarsten Samm»
lungen, manche unschätzbare Seltenheit hat ihm die kaiserl. Bibliothek,
einen großen Theil des Reichthums die kaiserl. Schatzkammer zu verdau»
ken. Das häusliche Leben und die gegenseitige Liebe des hohen Ehepaares
war musterhaft, in dem Kreise ihrer zahlreichen geliebten Familie fanden
die erhabenen Gatten die schönste Erhohlung von Staatsgeschäften. 1764
wurde der Kronprinz Jose pH zum röm. König gekrönt, die Angelegenhei-
ten der großen Monarchie waren berichtigt und das hohe Kaiserhaus schien
nun der erfreulichsten Ruhe genießen zu können, als dieselbe durch
den traurigsten Fall, den plötzlichen Tod des Kaisers, getrübt wurde. —
Mitten unter den prächtigen Vermählungsfeyerlichkeiten des zweyten Soh-
nes des Kaisers, Erzherzogs Leopold, Großherzogs von Toscana, mit
Maria Ludovica,Infantinn von Spanien, starb Kaiser Franz den
18. August 1765 zu Innsbruck, am Schlagfiusse, eben als er aus
dem Theater nach seinen Zimmern zurückkehrte. Der Leichnam wurde auf
der Donau nach Wien gebracht und vonheißem Schmerze wurden die
Umstehenden erfüllt, als er den 28. Aug. in der Rossau an eben der
Stelle ans Land gesetzt wurde, wo er einst bey der großen Überschwem-
mung für so Viele das Leben gewagt hatte. Die Kaiserinn war untröst-
lich, ja sie wollte im ersten heftigsten Schmerze die Regierung niederle-
gen und in dem von ihr an dem Ort des schmerzlichen Unfalles gestifteten
Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe E-H, Volume 2
- Title
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Subtitle
- Buchstabe E-H
- Volume
- 2
- Authors
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Publisher
- H. Strauß
- Location
- Wien
- Date
- 1835
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.3 x 22.0 cm
- Pages
- 696
- Keywords
- Nachschlagewerk, Biografien
- Categories
- Lexika National-Enzyklopädie