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Franz 1/ Raiser von Oesterreich lc. 177
gen zu treten, und es entwickelte sich ein Enthusiasmus 'seiner Völker,
wie ihn die Geschichte nicht oft zum Beyspiele gibt. Jedoch das Ausblei«
be» aller Mitwirkung von Außen, Napoleon's feste Stellung und
Übermacht vereitelten auch diesimahl die ungeheuersten Anstrengungen, ob-
gleich der Volksgeist in Tyrol es bewahrte, daß« Spaniens Beyspiel für
Deutschland nicht verloren gegangen war. Das französische Heer drang zum
zweyten Mahl in Osterreich ein, Wien capitulirte den 13. May 18N9,
und nur bey Aspern erfuhr Napoleon durch den unsterblichen Sieg
des Erzherzogs Car l einen sehr fühlbaren Gegenbeweis seiner Unüber-
windlichkeit. Doch folgte, nachdem er Verstärkung an sich gezogen hatte,
den 6. Iuly die unglückliche Schlacht bey Wagram, worauf den 14.
Oct. der Fried« zu Wien abgeschlossen wurde. Osterreich verlor nebst andern,
auch alle See-Provinzen und irat dem Continentalsysteme bey.—Durch
die Einwilligung in die Verbindung Napoleon's mit Franz l . ältester
Prinzessinn Mar iaLou ise hatte derKaiser das Recht einer neuen Dyna-
stie in Frankreich bestätigt, indem er den Versuch unternahm, den Beherr-
scher Frankreichs, da sich die äusiere Macht ihn zu zahmen nicht zulänglich
zeigte, durch moralische Motive zu beschränken. Die Ursachen dieser großen
Maßregel sind über jeden Angriff, ja überjede Beurtheilung erhaben, es war
em Act der frömmsten Ergebung in Gottes unerforschliche Nathschlüsse, wo-
durch dasHaupt der ersten Familie von Europa das Recht der erhabensten
Oeburtdem Glück d.er Welt unterordnete und womit erder Nachwelt ein
sprechendes Zeugniß seiner Liberalität, wie seines echt christlichen Sinnes
hinterließ. Als er die eigene Tochter, und 1812, als der Krieg Napo-
leon's gegen Rußland begann, auch Hülfsvölker dahin gegeben hatre,
zeigte sich die reine Politik des Kaisers Franz in ihrem eigenthümlich-
sten Lichce, denn entweder gelang es, Napoleon durch die Aufnahme
in die Reihen der europäischen Fürstenfamilien, für deren Geist zu ge-
winnen und ihn so zur unbedingten Anerkennung der Rechte und Unab-
hängigkeit anderer Staaten zü nöthigen, oder er mußte sich, falls sein
unbeugsamer Geist fortfahren würde, sich allen diesen Einflüssen wider-
strebend zu bezeigen, in eine Reihe von Widersprüchen verwickeln, wel-
che seine neue Stellung mit seinem alten Systeme nothwendig erzeugen
mußte, und über kurz oder lang seinen Sturz von selbst herbeyführen.
Das Jahr 1812 hatte die Richtigkeit dieser Folgerungen erwiesen; Oster-
reich erklärte sich nach dem Rückzüge der französischen Armee aus Ruß-
land für neutral, und nachdem die durch des Kaisers Vermittlung an-
geknüpften Friedensunterhandlungen zu P r a g durch den Stolz des
bisher sieggewohnten Eroberers ohne Erfolg geblieben waren; sobald
sich der Kaiser überzeugt hatte, daß alle dargebrachten Opfer die Grund-
sätze der Revolution nicht zerstören konnten, schloß auch er sich, seine in-
nigsten Gefühle dem Wohle seiner Völker opfernd, an den großen eu-
ropäischen Bund. Die Schlacht bey Leipzig wurde geschlagen, und
die verbündeten Heere betraten im Frühjahr 1814 Frankreichs Gränzen.
An seiner Heere Spitze, ihr Ungemach und ihre Gefahren theilend, an-
scheinend von der Gewalt dis Kampfes fortgerissen, die Europa's Wohl
entschied, blieb der Kaiser bey allen streitenden Empfindungen, die noth-
wendig sein Herz bewegen mußten, sich selbst, seinem Wort, dem Be«
Oesterr. Not. Encyll. »d. N. 12
Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe E-H, Volume 2
- Title
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Subtitle
- Buchstabe E-H
- Volume
- 2
- Authors
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Publisher
- H. Strauß
- Location
- Wien
- Date
- 1835
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.3 x 22.0 cm
- Pages
- 696
- Keywords
- Nachschlagewerk, Biografien
- Categories
- Lexika National-Enzyklopädie