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178 Franz I., Raiser von Oesterreich :c.
ruf seiner Krone und dem Wohle seiner Staaten getreu. Nur im An«
genblick der Catastrophe trat er mit kalter fürstlicher Ruhe zurück, über-
ließ die Entscheidung mit frommem Sinne den Fügungen des Himmels,
und verweilte zu Dijonbis zu Napoleon's Entsagung. Der glän-
zendste Beweis der treuen redlichen Gesinnung desKaisers Franz war je-
doch sein Benehmen bey dem Congreß zuWien, so wie beyNapoleo n's
Wiederkehr von Elba nach Frankreich. Fest und unerschütterlich bewährte
sich Österreichs Rechtlichkeit gegen alle Lockungen der Weltklugheit. Die
Erlangung des Rechtes und nicht» die der Macht war es, wornach der
Kaiser im 23jährigen Kampfe gestrebt hatte, auf den Säulen der Ge-
rechtigkeit, der Wahrheit und der Treue nur sollte Österreichs Thron uno
Cabinet fortbestehen, die Dictatur von Europa war in den Augen die«
ses Fürsten ein viel zu geringer Preis für ein einziges gebrochenes Wort,
und Osterreich Hing aus einem glorreichen Kampfe, welchem es doch ganz
allein in jeder Hinsicht den Ausschlag gegeben hatte, zwar mit unsterbli-
chem Ruhme, doch mit dem Bewußtseyn hervor, sich auch nicht mit
einer Scholle Landes auf Kosten der Gerechtigkeit bereichert zu haben.—-
Den 7. Apr. 1816 starb auch die dritte Gemahlinn des Kaisers, MariaLu-
dovica und er vermählte sich zum vierten Mahle den 10. Nov. desselben
Jahres mit Mar ie Carol in e Auguste, Tochter des Königs Max.
Joseph von Bayern. — Nachdem nun Kaiser Franz nach Jahren rast-
loser Anstrengung und nach vielen schmerzlichen Opfern Europa die Seg-
nungen des Friedens wiedergegeben hatte, richtete er sein vorzüglichstes
Augenmerk darauf, dieselben auch seinen Völkern genießen zu lasse».
Zwar hatte der österr. Staat in seinem Innern, besonders in Hinsicht
seiner Finanzen noch tiefe Wunden zu heilen, eine Folge des langjährigen
Kampfes gegen Frankreichs Zwingherrschaft; allein der rechtliche und
milde Geist seines Beherrschers, unterstützt von den großen Hülfsquellen
seiner gesegneten Provinzen, wie von dem guten Willen treuer, seinem
Herrscher innig ergebenen Voller unternahm mit vielem Glücke die Wie-
derherstellung günstiger Verhältnisse. <— Unermüdet war der Kaiser be-
schäftigt, für das Wohl seiner Volker zu arbeiten, durch die strengste
Mäßigkeit und Ordnung hatte er die, von Namr nicht allzustarle Be-
schaffenheit seines Korpers so abgehärtet, daß sie den ununterbrochenen
Geschäften des Staates ebenso sehr, wie früher den Beschwerlichkeiten
des Krieges gewachsen war. In den öffentlichen Audienzen hörte und be-
antwortete er, oft mehrere Stunden nach einander stehend, die Klagen
und Bitten seiner Unterthanen, ohne Unterschied des Ranges und Stan-
des; jedem Bedürftigen gab er, wenn nicht augenblickliche Hülfe, doch
gewiß Rath, Trost und Beruhigung mit den liebreichsten Worten und
bequemte sich dabey nach der Muttersprache eines Jeden. Durch sein vor-
treffliches Gedächtnis^ welches man die Controlle der Monarchie nennen
konnte, erinnerte er sich an Vieles, sogar Persönliches de»-Bittsteller, er-
mähnte und belehrte jeden auf väterliche Weise. Freylich war es ihm
nicht möglich, den selbstischen Erwartungen einzelner Individuen zu ge-
fallen, die Verfassung zu ändern, allein seine Privatschatulle stand
dem wahrhaft Unglücklichen immer offen. Ohne Prunk und feyerliche
Darstellung zu lieben, wußte Kaiser Franz doch, wo es nöthig war,
Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe E-H, Volume 2
- Title
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Subtitle
- Buchstabe E-H
- Volume
- 2
- Authors
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Publisher
- H. Strauß
- Location
- Wien
- Date
- 1835
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.3 x 22.0 cm
- Pages
- 696
- Keywords
- Nachschlagewerk, Biografien
- Categories
- Lexika National-Enzyklopädie