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Franz (Ios. Carl), Herzog von Reichstadt.
danken auf Alles, was auf Kriegskunst Bezug hatte und worin er die
schnellsten Fortschritte machte. Wie man ihm zu keiner Zeit die Geschichte
des Glückes und der Catastrophe seines Vaters verschwiegen hatte, so
wurde ihm auch den 22. Iuly 1821 in Schönbrunndie Nachricht von
dessen Tode mitgetheilt. Der Prinz weinte bitterlich und seine Niederge-
schlagenheit währte mehrere Tage. Es trug sowohl er, als seine Erzieher
und Dienerschaft Trauer. Nach dem Tode Collin's 1824 wurde dessen
Stelle durch den n. ö. Regierungsrath O b en aus ersetzt, welcher auch
Erzieher des Erzherzogs Franz Carl gewesen war. Der Kaiser trug
ihm bey der Ernennung besonders auf, den jungen Prinzen über die
Ereignisse unserer Zeit, vorzüglich über jene zu unterrichten, welche mit
dem Leben seines Vaters in Verbindung standen, und empfahl ihm, den
Prinzen mit jedem Wissen bekannt zu machen, welches einen Militär von
höherm Range nothwendig ist. Religionsunterricht erhielt er durch den wür-
digen Hofprälaten Wagner. MajorWeiß unterrichtete ihn in der perma«
nenten und Feldbefestigung, sowie Hauptmann Foresti in der Mathe«
matik und deren Zweigen, und bald überreichte der Prinz dem Kaiser eine
topographische Charte von der Gegend zwischen Neuoorf, Gumpolds«
kirchen und Wien, die er selbst vermessen und mit Genauigkeit und
Richtigkeit aufgenommen und gezeichnet hatte. Der Prinz beschäftigte
sich auch mit gutem Erfolge mit der deutschen Literatur, er kannte
deren große Dichter, unter welchen er besonders Goethe und Schiller
auszeichnete; er wußte eine Menge der schönsten Stellen aus deren Trauer«
spielen auswendig, auch las er mit Geschmack und Erfolg die Schriften
M. I. Schmidt's, Ioh. v. Müller's und anderer berühmter deut-
schen Geschichtschreiber; eine seiner Lieblingsbeschäftigungen waren Über-
setzungen aus dem Deutschen und Französischen ins Italienische, wovon
er mehrere Hefte eigenhändig schrieb. Seine Achtung und Hinneigung
zum Militärstande bewies er seit frühester Jugend bey jeder Gelegenheit.
Während eines Aufenthalts des Kaisers zu S c h l o ß h o f vermied der
Prinz eines Tages, bey dem Mahle seinen gewöhnlichen Platz an
der Seite des Erzh. Franz einzunehmen und rückte nach dem Ende des
Tisches hinab. Um die Ursache befragt, antwortete er: „Es sind ja Ge-
nerale zu Gaste, diese haben den Vorsitz." — Noch bevor er 7 Jahre
alt war, trug er das Kleid eines gemeinen Soldaten. Er erlernte die
Waffenübungen höchst eifrig und war entzückt, als ihm wegen seines
Fleißes und seiner Fertigkeit im Ererciren die Abzeichen eines Unterofsi-
ciers bewilligt wurden. Im August 1828 wurde der Prinz Hauptrnann
im Jägerregiments Kaiser und wohnte als solcher dem Lager von Trais»
lirchen bey. Im Sommer 1829 commandirte er eine Compagnie, dann
eine Division Grenadiere im Dorfe Ma uer bey Wien. ImIuly 1830
kam der Herzog als Major ins Infanterie-Regiment Sa l ins, im No-
vember desselben Jahres als Oberstlieutenant zum Infanterie-Regiments
Nassau, im Sommer 1831 wurde er zu Giu lay, später Prinz Wasa
Infanterie in Garnison zu Wien übersetzt, und im Frühjahr 1832 in,
diesem Regi'wente zum Obersten befördert. Die französische Revolution
vom Jahre 1830 regte das. Gemüth des jungen Herzogs gewaltig an
und brachte in ihm eine schwer zu bezwingende Gährung hervor. —
Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe E-H, Volume 2
- Title
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Subtitle
- Buchstabe E-H
- Volume
- 2
- Authors
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Publisher
- H. Strauß
- Location
- Wien
- Date
- 1835
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.3 x 22.0 cm
- Pages
- 696
- Keywords
- Nachschlagewerk, Biografien
- Categories
- Lexika National-Enzyklopädie