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Joseph I I . , römisch deutscher Raiser. 83
ihr einen prachtvollen Einzug in Wien. 1702 verfügte sich I. zur kai-
serlichen Armee gegen die Franzosen am Rhein, und eroberte sowohl
dieses Jahr als auch 1704 die bisher für unüberwindlich gehaltene Fe-
stung Landau. Nach dem Tode Kaiser Leopold's, den 5. May
1705, nahm I. den kaiserl. Titel an, und empfing den 22. Sept. des-
selben Jahres die Erbhuldigung der österr. Stande. 1706 wurde die
durch I. gegründete kaiserl. Bankeröffnet, wie auch die Akademie der
bildenden Künste errichtet. Das Commando der kaiserü Armee im spani-
schen Erbfolgekrieg übertrug er dem berühmten Eugen von Savoyen,
der die Franzosen 1707 bey Oudenarde, 1709 bey Malp laquet
schlug, nur in Spanien behauptete sichPhilipp V. gegen I.'s Bruder
Carl I I I . (VI.). Auch erneuerte I. das Reichskammergericht, undmachte
sich dadurch um Deutschland sehr verdient. DieZwistigkeiten mit Carl X I I .
von Schweden, welcher den sächsischen Churstaat 1706 mit seinem Heere
überschwemmt, und sich im spanischen Erbfolgekriege für Frankreichs In-
teresse erklärt hatte, wurden 1707 durch den Altranstädter Vertrag bey-
gelegt. 1708 bewirkte I. die Wiederaufnahme Böhmens in das Chur-
fürsten - Collegium. Die durch Franz Rakoczy angefachte, seit
1702 lodernde Flamme des Aufruhrs in Ungarn, welche 1704 die Re-
bellen sogar bis an die Vorstädte Wiens gebracht hatte, wurde durch
den Vertrag zuSzathmar gedämpft/ bey welchem I^ so kluge als
gemäßigte Gesinnungen bewies. Doch kam der vollständige Abschluß die-
ses Vertrages erst kurz nach des Kaisers Tode zu Stande, der ihn viel
zu früh in der Blüthe des männlichen Alters überraschte. Den 12. April
1711 hatte I. bey den Carmeliten auf der Laimgrube dem Gottesdienste
beygewohnt und das Mittagsmahl eingenommen. Er äußerte Mangel
an Eßlust und allgemeines Unbehagen, welches weder der scharfe Heim-
ritt, noch die Tags darauf angestellte Jagd verminderte. Bald darauf
zeigten sich an ihm die damahls verderblich wüthenden Pocken. Die Be-
stürzung war allgemein, die Ärzte beschäftigten sich mit Berathschlagun-
gen, man wendete alle Mittel an, doch schon den 16., nachdem der
nach den Niederlanden abgehende Prinz Eugen Abschied vom Kaiser
genommen hatte, nahm das Übel furchtbar überHand; I^ übertrug noch,
bis zur Ankunft Königs Car l aus Spanien, die Regentschaft seiner
Mutter und starb Morgens des 17.April1711 im33. Jahre. Er hinter-
ließ nur 2 minderjährige Töchter, Mar ia Iosepha, nachherigeGe-
mahlinn August's I I I . von Polen, undMaria Am a l i a , an Car l
Albrecht Churfürsten von Bayern (dann als Kaiser: Carl VII.) ver-
mählt, welch' letzterer nach Kaiser Carl's VI . Tode dieser Heyrath we-
gen Ansprüche auf die österreichischen Lander machte.
Joseph 11 / römisch-deutscher Kaiser, König von Ungarn und
Böhmen :c., ältester Sdhn des Kaisers Franz I. und der Kaiserinn
MariaTheresia, des letzten Habsburg'schen Sprossen, ein durch Wohl-
wollen gegen alle Menschen, Herzensgüte, durchdringenden Verstand
und den besten Willen für alles Gute, gleich ausgezeichneter Fürst. Leider
eilte er, — vielleicht mit Recht dieWichtigkeit seiner Plane und dieKürze
des menschlichen Lebens im Auge habend — seiner Zeit zu weit voraus,
welches in einer Monarchie, deren Theile noch jo wenig unter sich ver-
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Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe I-M, Volume 3
- Title
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Subtitle
- Buchstabe I-M
- Volume
- 3
- Authors
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Publisher
- H. Strauß
- Location
- Wien
- Date
- 1835
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.3 x 22.0 cm
- Pages
- 768
- Keywords
- Nachschlagewerk, Biografien
- Categories
- Lexika National-Enzyklopädie