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Joseph I I . , römisch, deutscher Raiser.
ders keine eigentlichen Schmähschriften sind, nicht zu verbiethen, ste
mögen nun den Landesherrn selbst, oder den letzten Unterthan betreffen.
Den 11. April 1731 erschien eine kaiserl. Verordnung, welche alleVer-
bindung der Klöster in der Monarchie, deren bey 2100 waren, die
gegen 70,000 Mönche und Nonnen enthielten, mit Rom, mit den
Ordensgeneralen und mit allen auswärtigen Congregationen untersagte,
bald darauf wurde das Verborh erneuert, keine papstliche Bulle ohne
landesherrliches Placitum anzunehmen, die beyden Bullen in coen»
domini und Nnigenitus erklärte der Kaiser in allen seinen Landern
für ungültig, und verboth die Geldsendungen nach Rom. Alle Dispen-
sen sollten nur mehr unentgeldlich ertheilt^ und keine der Theologie be-
flissene Jünglinge mehr in das deutsche Collegimn nach Rom oder
Padua , oder in das croatische nach Bologna versendet werden.
Jene Anstalten wurden durch ahnliche in Pav ia , vorzüglich aber durch
die Generalseminarien ersetzt, deren Oberleitung der gelehrte Prälat
Raute nstrauch (s. d.) übernahm. Den 15. Oct. dess. I. erschien das
allgemeine Toleranzedict, welches den Lutheranern, Reformirten und
nichtunirten Griechen die Übung ihres Glaubens, das Recht, Bürger
zu werden, Grundstücke zu erwerben und zu Staatsämtern zu gelange«/
ertheilte. Fernerhin ergingen auch Satzungen, welche das Schicksal der
Juden dadurch linderten, daß alle entehrenden Bezeichnungen von ihnen
genommen und ihnen die Wege der Bildung, die Mittel des Gewerbes,
Handels,. Eigenthums und bis auf einen gewissen Grad sogar die Aus»
sicht auf Amter und Würden des Staates geöffnet wurden. Den I. Nov.
1781 hob Kaiser I. I I . die von seiner Mutter schon sehr gemildme
Leibeigenschaft in seinen Staaten, besonders aber in Böhmen, Mah'
ren und Galizien völlig auf, und zog durch diese weise Maßregel viele
Colonisten in das Land. Die Anwendung der Todesstrafe wurde ferner
beschrankt, der Hof- und Civil-Etat vermindert, eine neue zweckmäßige
Finanzverwaltung und eine neue Gerichts- und Concursordnung einge-
führt. Überhaupt alle Zweige der Staatsverwaltung, die öffentliche
Erziehung, die Polizey, das Kirchenwesen und der Landbau wurden
verbessert, und diese Verbesserungen hatten grö'ßtentheils in den Gedan-
ken des Kaisers selbst ihren Ursprung und wurden schnell, trotz verschie-
denen anstemmenden Hindernissen, durchgesetzt. Anfangs 1782 erklärte
der Kaiser 624 Klöster (die meisten Nonnen- und viele Mönchsklöster)
für aufgehoben, wornach die Zahl der Ordensleute von beynahe 70,00l)
auf27,000sankund bestimmte dieEinkünftederselben für wohlthätigekirch«
licheundErziehungs-Anstalten. Bereits den 12. Jan. 1732 wurde inWien
das Königskloster nächst der Burg, die Nicolaierinnen in der Singer«
straße, die Siebenbüchnerinnen bey St . Joseph in der Sterngasse
aufgehoben. Leider geschahen auch alle diese Schritte mit solcher, viel'
leichr in einer Hinsicht nöthigen Rapidität, daß dadurch, vorzüglich
in den böhmischen und mahrischen Klöstern, viele Kunstschätze des Alter-
thums, schätzbare Manuscrivte, seltene Druckwerke :c. entweder ganz
verloren gingen oder in Auctionen verschleudert und in das Ausland rer<
schleppt wurden. Gleichermaßen ging es bey der beabsichtigten schnellen
Umgestaltung der Prager Burg zu einem Waffenplatze, wobey die Herr-
Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe I-M, Volume 3
- Title
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Subtitle
- Buchstabe I-M
- Volume
- 3
- Authors
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Publisher
- H. Strauß
- Location
- Wien
- Date
- 1835
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.3 x 22.0 cm
- Pages
- 768
- Keywords
- Nachschlagewerk, Biografien
- Categories
- Lexika National-Enzyklopädie