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94 Joseph l l . , römisch-deutscher Ralser.
schwand, dessen Ankunft zu erleben, stellte er die Ministerconferenz
wieder her, und übertrug die Unterschrift seinem Neffen Franz. Zu
Mitgliedern derselben ernannte der Kaiser Kauni tz , Starhem-
berg, Rosenberg und Lacy. Den letzten Tag seines Lebens, den
19. Febr., opferte er noch der Freundschaft: er nahm Abschied von Lacy
und Rosen berg, von der Armee durch den Hofkriegs-Präsidenten
Grafcn Hadik, und von dem Zirkel der Wiener Damen, den er gewöhnlich
mit Lacy und Rosenberg besuchte, durch einen Brief voll Innig-
keit und Größe an die Fürstinn von Liechtenstein. Den Fürsten von
Kaunitz versicherte er semer höchsten Achtung und seines Dankes, und
empfahl ihm sein Vaterland in diesen bedrängten Zeitem Die arbeitenden
Secretäre blieben den ganzen Tag über bey ihm bis um 10 Uhr Nachts.
Schon um die Mittagszeit hatte der Kaiser eine Anwandlung von Ohn-
macht, er ergriff aber sein Riechfiäschchen und ermunterte sich wieder. Um
10 Uhr entließ er die Secretäre und legte sich zu Bette, nur einKammev-
lakey durfte an demselben wachen, in einem Nebenzimmer aber ruhten die
kaiserl. Leibärzte S tö rk und B r a m b i l l a , und ein vor wenigen
Tagen zum Beichtvater ernannter Geistliche des Augustiner - Ordens. Der
Kaiser fing an zu schlummern, jedoch unterbrochen, unruhig und mit
halbem Bewußtseyn von den Niederlanden/ von Ungarn und Tyrol,
von den Türken und Preußen phantasirend, dann ermunterte er sich
wieder zum hellen Bewußtseyn, sprach einige Worte kraftig und be-
stimmt, siel wieder in träumende Erschöpfung und ruhte dann sanft.
Morgens den 20. Febr. um 5 Uhr wurde er vollkommen wach, fühlte sich
jedoch sehr übel. Er verlangte Suppe? man brachte sie und ließ zugleich
die Ärzte in das Zimmer treten, S tö rk fühlte dem Kaiser den Puls
und fand beynahe keinen mehr^ Ohne dem Monarchen diesen bedenklichen
Umstand zu entdecken, sagte er bloß, daß der Beichtvater im Vorzimmer
sey, wenn ihn der Kaiser etwa sprechen wolle. I^ verstand den Wink
und ließ den Augustiner rufen, der ihm aus einem Erbauungsbuche
vorlas. Noch wollte er von der gebrachten Suppe etwas nehmen, ver<
mochte es aber nicht mehr. Er sank zurück, hatte etwa 5 Minutenlang
Zuckungen/ und um halb 6 Uhr Morgens war er.verschieden. Jetzt tä-
gen zu gleicher Zeit zwey Leichen des erhabenen Kaiserhauses auf der
Bahre> Joseph, der regierende Monarch, und El isabeth, die Ge-
mahlinn seines Neffen und nunmehrigen Kronprinzen. Der Kaiser hatte
verbothen, sowohl seinen/ als auch den Leichnam dieser zu öffnen, mit
dem Beysatz: Seine Krankheit sey zu sichtbar gewesen, man werde also
durch die Öffnung des Leichnams nichts weiter lernen. Am 22. wurde
er in Feldmarfchalls-Uniform in der Hofburgcapelle öffentlich ausgesetzt
und noch denselben Tag um 7 Uhr Abends aus der Burg zu den Kapu-
zinern auf dem neuen Markt geführt und in der kaiserl. Gruft mit den
gewöhnlichen Ceremonien feyerlich beygesetzt. Sein Testament war ein
redender Zug seines einfachen und großen Charakters. Es bestand nur
aus 6 Zeilen und enthielt nichts anders, als daß er seinen Bruder Leo-
pold zum Universal - Erben erkläre. Das Codicill enthielt die Ver«
fügung, daß seine Secretäre und diejenigen Hofleute, welche unmit-
telbar seine Person umgeben hatten, lebenslänglich ihren ganzen Gehalt
Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe I-M, Volume 3
- Title
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Subtitle
- Buchstabe I-M
- Volume
- 3
- Authors
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Publisher
- H. Strauß
- Location
- Wien
- Date
- 1835
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.3 x 22.0 cm
- Pages
- 768
- Keywords
- Nachschlagewerk, Biografien
- Categories
- Lexika National-Enzyklopädie