Page - 108 - in Österreichische National-Enzyklopädie - Buchstabe I-M, Volume 3
Image of the Page - 108 -
Text of the Page - 108 -
J u d e n .
thume übertraten, im Erziehungshause zum h. Bar tho lomaus in
Prag. Im Laufe des 17. und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhun-
derts fanden nun natürlich bey dem milderen Zeitgeiste, da es ja überall
zu tagen begann, keine weheren blutigen Verfolgungen Statt, aber an
einzelnen Reibungen fehlte es doch nicht. Wegen zunehmender Zahl der
I. wurden auf den Landtagen verschiedene hemmende Gesetze gegen sie
erlassen. (Cod. Leop. Rescript.) — Den stärksten, noch nicht ver«
tlungenen Schlag empfingen die I. 1744. Heimlicher, wohl niemahls
glaubwürdig bewiesener, Einverstandnisse mit dem Feinde beschuldigt/
war die Veranlassung, daß sie unter der Kaiserinn Mar ia Theresia
plötzlich aus Böhmen verwiesen wurden. Wie ein Blitz aus heiterer
Höhe traf sie das Verbannungsdecret vom 13. Dec. 1744, nach welchem
sie augenblicklich aus der Hauptstadt und nach 6 Monathen — zur Ord-
nung ihves Creditwesens — aus dem ganzen Lande scheiden sollten. Tief
gebeugt, aber durch die stets grausamen Schicksale ihrer Voraltern groß-
genährt in Druck und Leiden, gehorchten die Unglücklichen, und nach 4
Wochen, eine Frist, die sie durch ihr Flehen erhielten, verließen gegen
12,000 Männer, Weiber und Kinder, Greise, Kranke und Säuglinge
die Hauptstadt, um einstweilen im Umkreise von 2 Stunden Obdach bis
Ende Iuly 1745, als dem letzten Auswanderungstermin, zu suchen, wo
sie sammt den übrigen, auf dem flachen Lande befindlichen Olaubensgenos-
sen das Reich zu verlassen angewiesen waren. Aber schon am 15. May
1745 ward ihnen der fernere Aufenthalt, doch nur auf dem stachen Lande/
auf bloß unbestimmte Zeit gestattet, und da ihre Schuld sehr problema«
tisch, die Vorstellungen sämmtlicher Stände des Reiches, wegen der
Nachtheile, welche die Auswanderung einer so beträchtlichen Zahl betrieb-
samer Einwohner herbeyführen könnte, Würdigung erhielten, so wurde
.ihnen unterm 29. Iuny 1743 ein zehnjähriger, recesimäfiiger Termin,
im Königreiche zu bleiben, ertheilt, mit Ende 1743 in die Hauptstadt
zurückzukehren bewilligt, und sie nach Verlauf des Termins in ihre vo«
rigen Rechte wieder eingesetzt; doch wurden sie zum Erlag einer jahrlichen
ordentlichen Steuer von 205,000 st. verpflichtet (Statthaltereydecret
vom 13. April 1748); eine Steuer, die jetzt zwar erhöht, doch noch
immer bey dem Iudensteuersysteme in Böhmen als Grundlage dient. —
Mir dem Regierungsantritte Kaiser Joseph's I I . wurden dieI. gleich«
sam durch einen Zauberschlag zu neuem Leben geweckt, viele, wenn auch
noch nicht alle, den Geist niederschlagende Zwanggesetze wurden aufge«
hoben, die deutsche Sprache eingeführt, ihre eigenen nur den Separatis-
mus befördernden Gerichtsbarkeiten cassirt, sie dem Militärdienste pstich«
tig gemacht^ Ackerbau, Erlernung der Handwerke, Errichtung von Fa«
briken, Gründung eigener Haupt- und Normalschulen nichc nur gestat-
tet, sondern befohlen, überhaupt alle Maßr^eln angewendet, ihren
staatsbürgerlichen, geistigen und moralischen Zustand zu verbessern. In
gleichem Geiste verfuhr Kaiser Leopold I I . , immer mehr sank die (noch
immer nicht ganz aufgehobene) gegen die übrigen Bewohner des Reiches
bestehende Scheidewand, es wurde ihnen (Hofdecr. vom 30. Oct. 1789)
nicht nur der Besuch der Universitäten, sondern auch die Annahme der
Doctorswürde und juridische Praxis verstattet. Nach gleichen milden
Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe I-M, Volume 3
- Title
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Subtitle
- Buchstabe I-M
- Volume
- 3
- Authors
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Publisher
- H. Strauß
- Location
- Wien
- Date
- 1835
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.3 x 22.0 cm
- Pages
- 768
- Keywords
- Nachschlagewerk, Biografien
- Categories
- Lexika National-Enzyklopädie