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Principien und Grundsätzen der Duldung, nach dem angenommenen Sy-
steme, die I. zu ihrem und des Staates Besten der bürgerlichen Bestim-
mung immer naher zu bringen, beschloß Kaiser Franz I., daß aus al-
- len bis dahin emanirten Satzungen, welche für die böhmische Iuden-
schaft über die Religionsübung, den Unterricht, die Gemeindeperfassung,
den Bevölkerungszustand, die Nahrungswege, die politischen und Rechts-
behörden und die Pflichten gegen den Staat bestehen, ein eigenes und
ordentliches System gebildet, „damit (so lauten die merkwürdigen Worte
des bereits 1797 erlassenen Iudenpatentes für Böhmen) die Gesetzgebung
den Unterschied, welchen sie bis dahin zwischen den christlichen und jüdi-
schen Unterthanen zu beobachten genöthigt war, endlich ganz aufzuheben
in den Stand gesetzt werde." Es wurde zwar im jüdischen Steuersy-
steme nichts geändert, nur nach den jedesmahligen finanziellen Verhält-
nissen damit fortgeschritten, aber es durfte Niemand zum Rabbiner ge-
wählt werden, der nicht auch die philosophischen Wissenschaften, das Na-
turrecht und die Sittenlehre auf einer erbländischen Universität mit gutem
Erfolge gehört hat, die Zahl der Synagogen und Familiennummern
wurde festgestellt, in Betreff der Verheyrathungen eine Norm eingeführt,
das Meisterrecht erlaubt, mehrere Erwerbszweige freygegeben, die Bann-
flüche der Rabbiner für ungültig erklärt, und so die künftige Emancipa-
tion vorbereitet. — Die segensreichen Früchte des regen Eifers der
menschlichen Gesetzgeber blieben nicht ohne Wirkung. Die I. in Böh-
men haben den bedeutendsten Höhepunct der Civilisation unter ihren
Glaubensgenossen im Kaiserstaate errungen, der Agricultur haben sich
zwar Wenige, Viele aber den Künsten, Handwerken und dem Fabrit-
wesen zugewendet; in Prag allein eristiren in verschiedenen Zweigen,
als Baumwoll-Spinnereyen, Druckereyen, Zuckerraffinerien u. m. a.,
gegen 20 jüdische k. k. landespriv. Fabriken, worunter die vorzüglichsten,
die mit Druck- und Dampfmaschinen versehenen, wahrhaft großartigen
Kattunmanufacturen vonPrzidram und nahmentlich: Jerusalem,
Kovelmann Porges, Beer Porges, L. Epstein, Wiener
und Söhne, Brüder Porges u. A., die mehr als 15,000 Menschen
beschäftigen. Es sind nicht nur Geschäftsmanner von ausgezeichnetem
Talente unter ihnen entstanden, wovo.l mehrere in den Adelstand erho-
ben worden, wie z. B. Honigsb'erg, der thätige Lammel, sondern
auch Gelehrte in allen Fächern der Wissenschaften, verdienstvolle Schrift-
steller, Ärzte, Apotheker, Advocaten, Mathematiker, Krieger, Dichter,
Tonkünstler u. m. dgl. — Die Wirklichkeit ihrer moralischen und geisti-
gen Vervollkommnung ist factisch erwiesen, ihre staatsbürgerliche Nütz-
lichkeit bewährt; erprobt ihre patriotische Gesinnung für Fürst und Va-
terland; mit der Leistung aller bürgerlichen Pflichten ist ihre Theilnahme
an den bürgerlichen Rechten wohl nicht mehr fern. — L. Gal iz ien.
Erobert ward der Staat derI., doch nicht gleich andern eroberten Staa-
ten unterjocht, sondern gänzlich zerstört, zertrümmert, vernichtet, nach
allen Weltenden zerstreut, durch Rom's den Erdkreis beherrschende Adler,
— und dennoch, unbegreifliche allwaltende Vorsicht! — überdauerte
dieß Volk ohne Land, ohne Verfassung, unter Blut und Flammen, un-
ter Verfolgungen, welche die Muse der Geschichte erzählt — selbst seine
Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe I-M, Volume 3
- Title
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Subtitle
- Buchstabe I-M
- Volume
- 3
- Authors
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Publisher
- H. Strauß
- Location
- Wien
- Date
- 1835
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.3 x 22.0 cm
- Pages
- 768
- Keywords
- Nachschlagewerk, Biografien
- Categories
- Lexika National-Enzyklopädie