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J u d e n .
durch ihre innere mosaische Verfassung nur allzusehr hinneigen. So durch
die Constitutionen des Reiches, durch einen, von der Masse des auf der
untersten Stufe der Gesittung stehenden Volkes, eigenthümlichen höhe-
ren geistigen Funken geschieden, so wie durch den gesetz- und schrankenlo-
sen Despotismus der Edelleute verschüchtert, — wurden sie immer abge-
sonderter, von aller Außenwelt getrennter, und so mußte bey ihrer grö-
ßeren Anzahl hier schärfer, als irgendwo, Verfolgung von Außen, Rab-
binismus von Innen, dem Charakter der I. in Polen jene traurige Gestal-
tung geben, die menschlichere Jahrhunderte und mildere Gesetze noch nicht
verwischen konnten. Als nach der Theilung Polens Galizien dem öster-
reichischen Staatskörper einverleibt wurde, beließ die Theresianische Iu -
denordnung vom 16. Iuly 1776 ihnen noch ihre Rabbinal-Gerichte und
sonstigen separaten Bestimmungen; erst als der Trajan Österreichs,
Joseph I I . , die Wiedergeburt seiner jüdischen Unterthanen in Oalizien
beschloß, wurde durch das Patent vom 27. May 1735 die besondere
Rechtsverfassung aufgehoben, sie den allgemeinen Gerichtsbehörden un-
tergeordnet, überhaupt mehrere zeitgemäße Gesetze erlassen, die ihre
Amalgamirung mit den übrigen Einwohnern herbeyführen sollten, doch
sagt einer der neuesten galizischen Rechtslehrer: „sie sind mit einem che-
mischen Mittel zu vergleichen, welches auf andere Körper zersetzend oder
bindend wirkt, selbst jedoch stets heterogen bleibt." — 1783 ward der
Befehl ertheilt, daß sie Militärdienste leisten sollten, und da sie in der
Regel sehr frühzeitig heyrathen, so mußten auch natürlich Verheyra-
thete als Recruten gehoben werden. Auswanderungen, allgemeines Fa-
sten, Bußen und Deputationen nach Wien waren die unmittelbaren
Folgen. 1789 erschien die Iosephinische Iudenordnnng, die noch heute
zur Grundlage dient, und nur in Beziehung der Iudensteuer Verände-
rungen erlitten hat; es wurden deutsche Schulen errichtet, die aber nicht
den gewünschten Erfolg, wie in Böhmen, hatten, daher in ganz Galizien
sammt dem jüdischen Lehrseminar zu Lemberg 1306 aufgehoben, der
Schulfond dem allgemeinen galiz. Normalschulfonde einverleibt und
den jüdischen Kindern der Besuch der christlichen Schulen gestattet wurde.
Besonders wohl organisirte jüdische Unterrichtsanstalten sind gegenwärtig
in Oalizien nur 2, eine Hauptschule zu Tarnopol , seit 1313 durch
den wahrhaft aufaeklarten Vorsteher Joseph Per l gegründet, und
eine Realschule zu Brody. Der Unterricht im Allgemeinen ist da-
her sehr vernachlässigt. An Gelehrten /Ärzten, Chirurgen u.s.w. fehlt es
nicht, auch sind einige Advocaten. Handwerke und Fabriken hat es nie
in Oalizien im Allgemeinen in großer Anzahl gegeben, da es in früheren
Zeiten nur Herren und Knechte, keinen eigentlichen Bürgerstand gab.
Die wenigen Manufacturen und Gewerbe werden daher meist von den
ehemahls bloß den Mittelstand bildenden I. getrieben, und bedeutend ist
die Zahl der Branntroeinbrennereyen, Pottaschsiedereyen :c. Weise strebte
die Negierung die I. zum Ackerbau aufzumuntern, nach dem Hofdecrete
vom 9. April 1789 wurden sogar in Ostgalizien eigene ackerbauende Iu -
oencolonien begründet, die Ansiedlung durch alle Kreise auf Kosten der
Gemeinden zur Erleichterung des Armenwesens bewerkstelligt. Reifte
auch manuigfacher Hin- und Rücksichten wegen dieser Plan nie zur Voll-
Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe I-M, Volume 3
- Title
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Subtitle
- Buchstabe I-M
- Volume
- 3
- Authors
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Publisher
- H. Strauß
- Location
- Wien
- Date
- 1835
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.3 x 22.0 cm
- Pages
- 768
- Keywords
- Nachschlagewerk, Biografien
- Categories
- Lexika National-Enzyklopädie