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J u d e n . I!3
keine Zeit hat. Im Ganzen sind in Polen ohngefähr 5,000. Die ehe-
mahligen volhynischen sind jetzt in Galizien, wo sie besondere Vor-
rechte genießen, und nach den Hofdecreten vom 24. October 1774 und
1. September 1814 von der allgemeinen Iudensteuer ausgenommen
sind. Eine erst in neuerer Zeit entstandene, aber in bürgerlicher wie in
religiöser Beziehung höchst schädliche, dem gröbsten Materialismus hul-
digende, in Galizien häufige Secte ist die der Gassida er oder Bosch-
t ianer, die, vielfach verzweigt, bloß blinde Werkzeuge allmächtiger
Obern, welche großtentheils hab- und gewinnsüchtig, aber auch durch den
mystischen Unsinn der dunkeln Kabala verwirrt, selbst betrogene Betrü-
ger sind. Über den weitern gegenwärtigen Zustand der I. in Galizien,
über ihre physische/ sittliche und geistige Cultur (oder richtiger Uncultur),
ihre Abgaben, ihre Vor- und Rückschritte, ihr ängstliches Kleben an ver-
alteten außereuropäischen Formen (selbst in der Nationalkleidung, die
den Separatismus befördert und die sie nicht ablegen wollen), über ihre
inneren und äußeren Verhältnisse zu den übrigen Bewohnern u. s. w. ton-
nen wir in einem bloß lericographischen Artikel uns nicht ferner auslassen.—
C. Lombardisch-venetianisches Königreich. Die Geschichte
derI. in Italien überhaupt gehört nicht hierher; nur die Bemerkung
mag nicht überflüssig seyn, daß wahrend in der rauhen Vorzeit in allen
christlichen Landern die entsetzlichsten Verfolgungen Statt fanden, die
Papste, als Oberhäupter der Christenheit, die I. aufnahmen, mächtig
und milde beschützten. Viele Bullen bestätigen dieß. Ihr Eintritt in
Italien wird in die Zeit des Pompejus gesetzt. Sie waren dort einer
zweyfachen Macht unterworfen. Der Kaiser machte als römischer König
auch auf die dortigen Gemeinden Anspruch und betrachtete sie alS Kam-
merknechte; die Papste erkannten sich dagegen als ihre unmittelbaren
Oberherren; sie hatten daher doppelten Schutz und blieben im ruhigen
Zustande, n'enn auch immer beengt, durch a^erley Gesetze vielfach au"-
und abgeschlossen, nur auf den Handel und die Medicin beschränkt. An
tüchtigen und berühmten Ärzten har es daher da nie gefehlt, einige der«
selben wurden sogar zu Lehrkanzeln auf Universitäten, andere zu stabi«
len Ärzten für ganze Corporationen bestimmt, Unter der französischen
Regierung, im Anfange des jetzigen Jahrhunderts, wurden sie ihren
Mitbürgern im freyen Genusse aller bürgerlichen und politischen Rechte
gleichgestellt, sie bekleideten die verschiedenartigsten öffentlichen Ämter,
und der Religionsunterschied machte in der Ausübung selbst öffentlicher
Functionen keine Inconsequenz sichtbar. Das Gesetz-Bulletin des ehe-
mahligen Königreichs Italien enthält die Ernennung mehrerer Israeliten
zu verschiedenen wichtigen Stellen, theils bey den Gemeinden und den
Departements- (oder Provinzial-) Rathsversammlungen, theils bey den
verschiedenen Tribunalen und Gerichtshöfen 1. und 2. Instanz. Dlö
ersten Körper des Staats, wie die Wahlcollegien der Gelehrten, Grund-
besitzer, Kaufleute, sahen in ihrem Schooße Bekenner des mosaischen
Glaubens als Mitglieder. Im Collegium des Handelstandes führte mehr-
mahls den Vorsitz Treves aus Venedig, welcher als einer der aus-
gezeichnetsten Bürger des Reichs zur Würde eines Präsidenten der Revi-
sion aller 3 Collegien erhoben und seiner Verdienste wegen mir dem
Oesserr. N.n. <5ncn»l. Vd. l l l . 8
Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe I-M, Volume 3
- Title
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Subtitle
- Buchstabe I-M
- Volume
- 3
- Authors
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Publisher
- H. Strauß
- Location
- Wien
- Date
- 1835
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.3 x 22.0 cm
- Pages
- 768
- Keywords
- Nachschlagewerk, Biografien
- Categories
- Lexika National-Enzyklopädie