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Kaiser Joseph I I . begonnene große Bau der Humanität seiner Voll,
endung nahe ist. — E. Ungarn. Mit der Einführung des Christen-
thumes dahin gekommen, finden sich frühzeitig Spuren ihres Aufent-
haltes daselbst. Nach Beginn der Kreuzzüge flüchteten die Meisten aus
dem Süden Deutschlands, um sich vor den Kreuzfahrern zu retten, nach
Polen und Ungarn. Bereits im 11. Jahrhunderte konnten sie Ländereyen
erwerben, nur mußten sie jüdische und heidnische Sclaven in Besitz neh-
men. (Corpus jur. Hung. Ladisl. decret.) Als König Andreas II.
mit seinen Legionen nach Palast'na zog, waren I. als königliche Schatz,
meister in seinem Gefolge. Unter Bela IV. konnten sie Magnatengüter
an sich bringen; unter Bela I. musiten sie das Land verlassen; unter
S ieg mund zogen sie wieder ein; 1476 veranstalteten sie einen phan-
tastisch-seltsamen Aufzug bey der Vermählung des Math . Co rvinus;
1494 wurde das tolle Ammenmährchen der Ermordung von Christen,
kindern in Ty rnau gegen sie geltend gemacht; nachdem mehrere er-
mordet, einige verbrannt worden, musiten sie ausziehen; das Thor,
wodurch sie auszogen, wurde vermauert und erst 1504 wieder geöffnet
und das Verdammungsurtheil aufgehoben; 1495 war eine Plünderung
in Ofen; eine allgemeine Verfolgung, wie in andern Ländern, fand
in Ungarn nie Statt. Unter Ludwig I I . war ein Jude, Isaak/
Münzmeister inKaschau und es wurden 1524Isaakiden geprägt (gleich
den Ephraimiden des Juden Ephraim in Berlin im 18. Jahrhunderte).
Weniger erfreulich waren die darauf folgenden Jahrhunderte für sie.
Aus Croatien und Slavonien sind sie nach einem Statut von 1729 gleich
wie auch von den Gränzlandern und den Bergstadten ausgeschloffen.
Erst seit Kaiser Joseph I I . erschienen Verordnungen zur Verbesserung
ihres Zustandes. Nach dem 1783 erschienenen Regulativ wurde vieles
Veraltete aufgehoben, ihnen sogar erlaubt, Säbel zu tragen, das Mei«
sterrecht und die Aufnahme in den Zünften gestattet (bestätigt 181l,
1813); 1786 wurde die Leibmauth aufgehoben; 1791 erschien die In-
terimaltoleranz. Schon 1578 mußten sie doppelt so viel Steuern ale
die Christen zablen, und zwar 50 Denar monathlich vr. Kopf; unter
Ludwig I I . betrug diese Abgabe 1,600 Ducaten, bis 1773 stieg die
solidarische Toleranztaxe auf 50,000 fl., 1306 auf 80,000 fi., bann
120,000 fl., 1316 auf 160,000 fi. C. M. 1303 wurde es zuerst w
laubt, daß sie in die Reihen der Soldaten treten, 1807 suchten sie beym
Reichstag um das Bürgerrecht ohne Erfolg an. Ihre Civilisation ist noch
keineswegs auf dem Culminationöpuncte, wiewohl ein erfreuliches Stre-
ben überall sichtbar ist. Belege hiezu liefern die seit 1320 begründete
nützliche hebräisch-deutsche Hauptschule zu Preßburg (bey welcher auch
auf den Unterricht in der ungar. Sprache Rücksicht genommen wird),
die seit 1827 da entstandene israelitische Mädchenschule, dann ahnliche
Unterrichtsanstalten in A l t -Ofen, Kanisa, Arad, Vecs, Schu-
ran, Eisen stadt u.s.w., die Reformirung derBethhauser in Pesib
und Kanisa, die Ausübung verschiedener Handwerke, auch nachdem
Grade der Landescultur, die Errichtung einiger Fabriken in Seide und
Leder, Stärkemachereyen, Blaufärbereyen, Branntweinbrennereyeli
u. s. w. und endlich der häufige Besuch der Universitäten und
Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe I-M, Volume 3
- Title
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Subtitle
- Buchstabe I-M
- Volume
- 3
- Authors
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Publisher
- H. Strauß
- Location
- Wien
- Date
- 1835
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.3 x 22.0 cm
- Pages
- 768
- Keywords
- Nachschlagewerk, Biografien
- Categories
- Lexika National-Enzyklopädie