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Müller, Joh seinr. Friedr. 727
Halbevstadt, Sohn eines lutherischen Pastors. Sein Familiennahme war
eigentlich Schrot er, denTheaternahmen M. behielten jedoch in der Folge
auch seine Nachkommen bey. Den ersten wissenschaftlichen Unterricht erhielt
^ M. in der Domschule seinerVaterstadt, 17^9 kam er aufdie Universität nach
Hal le , um sich den höheren Wissenschaften zu widmen. Bey einer Ferien-
reise nach Magdeburg machte M. die Bekanntschaft des Theaterdirec-
tors Schuch, der ihn erst als Hauslehrer bey seinen Kindern anstellte,
und als er dessen glückliches Talent zur darstellenden Kunst wahrnahm,
vermochte er ihn, die Bühne zu betreten, bey welcher Gelegenheit M.
diesen Nahmen annahm. Er besuchte nun mit Schuch Ber l i n , Stet-
t in , Frankfur t a. d. Oder und Bres lau, wo er allenthalben mit
Beyfall auftrat. 1754 nahm er ein Engagement bey der Schönem an la-
schen Gesellschaft zuH arpburg an, die jedoch 1757 wieder aus einander
ging. M. wurde dadurch in die kümmerlichsten Umstände versetzt, und
schon war er im Begriff, mit einem Schiffe nach Ostindien zu gehen, als
er dem Grafen v.Hoditz, einem leidenschaftlichen Liebhaber des Theaters,
empfohlen ward, der ihn mit auf sein Gut Roßwalde in Schlesien
nahm, und ihm daselbst die Bildung eines regelmäßigen Theaters über-
rrug. Nach vierjährigem Aufenthalte auf dem Gute des Grafen, erhielt
M. ein Engagement in Linz, und fand daselbst durch sein naturgemäßes
Spiel solchen Beyfall, daß ihm bald die Direction dieses Theaters über-
tragen wurde. 1763 erhielt M. durch den dekamNen Schauspieler Weiß-
kern einen Ruf an das Wiener Hoftheater, welchem er alsobald folgte,
daselbst mit vielem Beyfalle debutirte, und sich durch eine Reihe von
Jahren in allen ersten Characterrollen, worunter er besonders komijche
und rührende Bediente, Pedanten, Petitsmaitres :c. vorzüglich gab,
in der vollen Gunst des Publicums erhielt. 1776 ertheilte ihm Kaiser
Joseph I I . den ehrenden Auftrag, die ersten Theater Deutschlands zu
besuchen, dem Kaiser über das Theaterwesen die umständlichsten Nachrich-
ten zu ertheilen, und mehrere gute Schauspieler anzuwerben. Er entledigte
sich desselben zur vollkommensten Zufriedenheit; die Erwerbung mehrerer
der vorzüglichsten Zierden des Hoftheaters, worunter Brockmann,
Schütz, Mad. St ier te :c. hatte man dieser Reise zu danken. Großes
Verdienst erwarb sich M. auch durch die sorgfältige Ausbildung jugend-
licher Talente, die in der Folge zu großer Bedeutung gelangten; durch
die Errichtung einer theatralischen Pfianzjchule im Kärnthnerchor-Theater,
die er 1779 ganz auf eigene Kosten gründete; leider endete diese lobens-
würdige Unternehmung/ deren Fortsetzung M. durch Cabalen aller Art er-
schwert wurhe, schon nach 3 Jahren wieder, jedoch nicht ohne bedeutende
Früchte getragen zu haben. So hatte man ihm unter andern auch die erste
Einführung der Ballete zu verdanken, deren einige, z. B. Medea und
Iason, dieHoratier, Agamemnon (ursprünglich von Noverre), Adel-
heid v. Ponthieu :c. mit einem Glanz und einer Kunstfertigkeit darge-
stellt wurden, wie man bisher in Wien nichts ähnliches gesehen hatte.
18lN trat M. nach 3l) zurückgelegten Dienstjahren in einen ehrenvollen
Pensionsstand. Spater übernahm er jedoch wieder die Bildung und Direc-
tion einer Schauspielergesellschaft, welchr, von dem regierenden Fürsten
Aluys V.Liechtenstein unterhalten, in den Sommermonathen inPen-
Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe I-M, Volume 3
- Title
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Subtitle
- Buchstabe I-M
- Volume
- 3
- Authors
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Publisher
- H. Strauß
- Location
- Wien
- Date
- 1835
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.3 x 22.0 cm
- Pages
- 768
- Keywords
- Nachschlagewerk, Biografien
- Categories
- Lexika National-Enzyklopädie