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Prag, Hauptstadt des Königreichs Böhmen. Geschichte. P.'s
erstes Entstehen ist mehr ein Gegenstand der Dichtung als der Geschichte.
Die Sage behauptet, Libu ssa habe auf einem hohen Felsen nach einem
vom Wiffehrad unternommenen Spaziergange ausgeruht, und sich in
dem romantischen Moldauthale nach einer Stelle umgesehen, die zum
Bau einer Stadt geeignet wäre. Die Fürstinn bemerkte zwey V^anner,
die einen Baum fällten,, mit dem auf ihr Befragen eröffneten Vorha-
ben eine Schwelle zu zimmern. Die Schwelle verheißt Glück, dachte die
Fürstinn, darum soll d^ie Stadt P r a h oder Praha (deutsch : Schwelle)
heißen. Die deutsche Benennung Prag rührt daher von dem böhmi-
schen Worte „Prah" her. Dieser Sage nach fallt die Gründung P.'sum
das Jahr 723 der christlichen Zeitrechnung. Nach andern Erzählungen
sollte P. schon 611 am Fuße des heutigen Schloßberges von den Czechen
angelegt worden seyn, undLidussa sollte nur für die Vergrößerung
der Stadt gewirkt haben. Nezamysl, L ib ussens Sohn, sorgte für
ihre Befestigung, die auch bis 1242 unverändert blieb. Diese Befesti-
gung erhielt eine bedeutendere Gestalt, als 1241 die weltverwüstenden
Tartaren durch Ungarn in Mahren eindrangen, und von dort aus Böh-
men zu verwüsten drohten. Nach einer wohl nicht sehr kritisch gesichteten
Zeitrechnung, soll die gegenwärtige sogenannte Altstadt 795, also 72
Jahre später als die Kleinseite, angelegt worden seyn. Man nennt den
gegenwärtig sogenannten St. Valentins-Platz als die Stelle, wo sich
die ersten Dächer der Altstadt erhoben. Ihr Umfang blieb verhaltnißma-
ßig lange Zeit beschrankt, denn ihre weiteste Ausdehnung vom Flusse aus
gegen Osten war bis zu dem gegenwärtigen Altstadter Ringe, während
die Gegend, wo jetzr die Theinkirche und der Königshof stehen, schon
außer dem eigentlichen Umkreise der Stadt liegt. Daß sie sich immer
mehr rundete, und auch im Inneren füllle, kommt auf Rechnung der
steigenden Bevölkerung, und des Zuflusses von Ausländern, die sich un-
ter den letzten Fürsten des Prz e m ysl'schen Stammes, vorzüglich
aber unter Heinrich von Kärnthen und Johann von Luxemburg
nach der Hauptstadt zogen. Erst unter Carl's IV. ruhmwürdiger Re-
gierung finden wir für Böhmen und besonders für P. eine genauere Re-
chenschaft, zu welcher Zeit diese Stadt den unläugbarsten und besten Quellen
gemäß, beynahe denselbenRaum einnahm, den sie gegenwärtig umfaßt. Bey
einer großen Landesnoth, wo eine Menge Menschen dem Hungertode
entgegensahen, umschloß er die Kleinseite mit einer Mauer, von der
ein großer Theil noch jetzt vorhanden ist, und zog dadurch mehrere,
früher außerhalb der Stadt befindlich gewesene Bezirke in ihren Um-
treis. Fünf Jahre später (1353) vollendete er den Wiederaufbau der Alt-
stadt, welche 1316 unter seines Vaters Johann Regierung durch eine
fürchterliche Feuersbrunst in einen Steinhaufen verwandelt worden war.
Schon früher (1343) legte er den Grund zur Neustadt in ihrer gegen-
wärtigen Gestalt, und vereinigte dadurch ebenfalls mebrere frühereLand-
b ezirke, z. B. das Dorf Porschitz mir der Stadt. Nun erst erhielt der
Theil der Stadt, östlich der Moldau, den Nahmen Altstadt, im
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z z P c h t z
heil der Stadt, östlich der Moldau, den Nahmen Altstadt, im
gensatze mit der neuen Stadt, die man auch anfangs die Carlstadt
nannte. Bey Carl's Tode nahm P. ganz den dermahligen Raum ein.
Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe N-Sed, Volume 4
- Title
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Subtitle
- Buchstabe N-Sed
- Volume
- 4
- Authors
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Publisher
- H. Strauß
- Location
- Wien
- Date
- 1835
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.3 x 22.0 cm
- Pages
- 660
- Keywords
- Nachschlagewerk, Biografien
- Categories
- Lexika National-Enzyklopädie