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Primas von Ungarn.
Schon in seinem 17. Jahre beobachtete P. nn.t Aufmerksamkeit die gün«
stigeWirkung des kalten Wassers bey kleinen Verwundungen, Verstauchun«
gen, Kopfschmerzen, leichren Entzündungen, rheumatischen und andern
Übeln. Diese Beobachtungen ließen ihn wciter gehen, und da es in einer
vonÄrzten ziemlich entblößten Gegend nicht anGelegenheit fehlen konnte,
sein Verfahren auch gegen bedeutendere Krankheilen anzuwenden, so wur-
den seine Erfahrungen immer mehr erweitert und bestätigt. Also ganz
durch und aus sich selbst, ohne mündlichen Unterricht, ohne aus Büchern
sich Nach zu holen, schuf P. sein Verfahren. Erst in den spatern Jahren
las er Professor Ör te l's Schriften über den Gebrauch des kalten Waffers,
mit dessen Methode und sanguinischem Eifer seine Bescheidenheit sich
nicht befreunden konnte. — Noch nicht 19 Jahre alt, wurde P. schon
in entfernte Ortschaften gerufen, wo zahlreiche Schaaren von Kranken,
großtentheils aus der ärmeren Classe des Volkes, seine Hülfe in Anspruch
nahmen. Bald wuchs sein Ruf als Wassevheilkünstler, und auch Wohl«
habende vertrauten seinen erfolgreichen Rathschlägen, wiewohl er bey
den meisten mit hartnäckigen und verjährten Übeln zu kämpfen hatte. Dieft
konnte nicht unbemerkt bleiben. P. wurde belangt und der Pfuscher'ey be«
schuldigt. Da die eingeleitete Untersuchung aber ergab, daß er sich gar
keines andern Heilmittels, als des kalten Quellwassers bedient und durch
dasselbe viele Kranke, besonders an rheumatischen und gichtischen Be«
schwerden Leidende, wirklich hergestellt hatte, so wurde ihm von der
Landesbehörde die Erlaubniß zur Fortsetzung seines Heilverfahrens gestat»
tet. — Im Jahre 1826, wo sich die Kranken zuerst zahlreich einfanden,
um in Grafenberg selbst zu wohnen und geheilt zu werden, erbaute
P., nachdem er sich dis dahin einer ganz einfachen Trogvorrichtung zum
Baden bedient hatte, das sogenannte alte Badehaus. Es ist ein Hölzer,
nes Gebäude mit 12 bewohnbaren Gemächern und enthalt im Erdgeschoß 2
ziemlich große Badewannen. Da die Zahl der Besuchenden bald zunahm,
so-wurden später noch 2 Wannen in einem einfachen, 30 Schritt von
dem Badehause entfernten Häuschen aufgestellt. 1832 wurde ein
großes massives Wohn- unb Badehaus erbaut. —' Die Quellen, wel-
che das Wasser liefern, entspringen auf der Spitze des Gräfenberges. —
Obschon P. beym Schwitzen, Baden, Douchen :c. die nöthigen Rück-
sichten auf die verschiedenen Krankheiten nicht aus den Augen setzt, so
bleibt es dl>ch rathsam, sich seinem Heilverfahren nicht unbedingt ohne ärzt-
licher Consultation zu unterziehen.
Pr imas von Ungarn und den dazu gehörigen Provinzen, und eben
deßwegen der erste und vornehmste Prälat in der gesammren österr. Mo«
narchie, ist der Erzbischof von Gran. Gewöhnlich wird zu dieser hohen,
geistlichen Würde ein Bischof, entsprossen aus einer der ältesten und an-
sehnlichsten Familien des Landes auserkoren, meistens erfolgt nach sei-
ner Ernennung, der Cardinalshut, und der seit 1630 damit verbundene
Titel: Eminenz. Ihm kommt als Erzbischof von Gran und Primas von
Ungarn die fürstliche Würde zu; er ist oberster Kanzler durch ganz Un-
garn, des heil. apostolischen Stuhls I^egawä natuz, und des Oraner
Comitats immerwährender wirklicher Obergespan. Er krönt und salbt den
König auf dem Reichstag, und in allen wichtigen kirchlichen sowohl
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Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe N-Sed, Volume 4
- Title
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Subtitle
- Buchstabe N-Sed
- Volume
- 4
- Authors
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Publisher
- H. Strauß
- Location
- Wien
- Date
- 1835
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.3 x 22.0 cm
- Pages
- 660
- Keywords
- Nachschlagewerk, Biografien
- Categories
- Lexika National-Enzyklopädie