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398 R i t t l e r.
Go'ttittgen auch in der Philosophie und erhielt endlich bcy dem neu
errichteten Lyceum zu Neustadt an derHaardt, im ehemahligen De-
partement vom Donnersberge, die Professorstelle der Asthetlk. Doch gab
er dieses Verhältniß nach 3 Jahren wieder auf und lebte als komme 6o
loi und geschworner Übersetzer am Tribunal zu Speyer bis 1812, wo
der Tod seiner Hltern ihn nach der Heimath berief. 1813 verließ er
Breslau mit legalen französ. Passen versehen, um nach seinem Domi-
cil zurückzukehren, ehe er aber noch dasselbe erreichte, war Preußens
Kriegserklärung erfolgt und er wurde, der französischen Regierung nun ver-
dächtig , wenige Tage nach seiner Ankunft inSpeyer arretirt und naH
Mainz in Untersuchung gebracht, wo man ihm freylich nichts anders
zur Last legen konnte, als daß er ein geborner Preuße war und eben aus
feinem Vaterlande zurückkehrte, was jedoch, aller früheren Unbeschol«
tenheit ungeachtet, bey der damahligen Zwangsherrschaft hinreichte, ihn
52N5 retoui-ner en Trance zu exiliren. Nun zog er sich nach Frey-
burg in Breisgau zurück, und trat, sobald sich die verbündeten
Heere den Rheingegenden näherten, in österr. Kriegsdienste, kehrte da-
her nach dem verpönten Frankreich zurück, nahm aber nach geendigtem
Feldzuge seine Entlassung und ging nach Wien, wo er seit Ende 1314
privatisirt. Er versuchte sich hier in verschiedenen Fächern als Schriftsteller,
indem er wechselweise das der Polizeywissenschaft, der Moral und Pä-
dagogik, der deutschen Sprache und des Styls, der'Ästhetik, der Sa«
tyre und der Nomantik durchstreifte, je nachdem ihn die traurige Abhän-
gigkeit vom Speculationsgeiste seiner Verleger dazu nöthigte. Von sei-
nen besseren Leistungen bemerken wir bloß: Freymüthige Enthüllung der
wahren Ursache des taglich sich mehrenden Bettelunwesens, Wien 1818.
— Die 10 Gebothe, in den Abendunterhaltungen eines Großvaters
mit seinen Enkeln, durch sittliche Erzählungen erklärt, eb. 1818. —
Gaunerstreiche. Eine Beantwortung der Frage: Wovon leben so viele
unbemittelte und doch nicht arbeitende Menschen, besonders in großen
Städten? Gratz 1320. — Die Zwillinge. Versuch aus 60 aufgegebe-
nen Worten einen Roman ohne R zu schreiben, als Beweis der Reich-
haltigkeit und Biegsamkeit der deutschen Sprache, 4 Bdchen., Wien
1820. — Humoristische Scenen der Vergangenheit, eb. 1822. — Ge-
schichte des Lebens und Wirkens der Apostel Jesu, eb. 1822.— Der kleine
WienerTelemach, eb. 1323.—KleineAnreden und mündliche Vortrage,
fürPersonen die ohne rhetorische Bildung doch bisweilen in die Nothwen-
digkeit öffentlich zu sprechen kommen, eb. 1826. — Abenteuer eines
Krähwinklers auf der Reise nach der Residenz, eb. 1331. — Der Hand«
kuß. Eine ästhetische Abhandlung, eb. 1833. — Der Lerchenfelder Ro-
binson, eb. 1834. — Echter Anstand, feiner Ton und gute Sitte, eb.
1335. R. gesteht von seinen Schriften, daß, wenn auch einige Körner
unter der vielen Spreu zu finden sind, er dieselben noch keineswegs
als eine Legitimation des Schriftstellerberufes anerkenne und ihm hier nicht
nun der Mangel an Fähigkeiten, sondern zugleich eine Menge nieder-
drückender Umstände, keine geregelte und befriedigende Geisteserhe'
bung je gestatteten.
Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe N-Sed, Volume 4
- Title
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Subtitle
- Buchstabe N-Sed
- Volume
- 4
- Authors
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Publisher
- H. Strauß
- Location
- Wien
- Date
- 1835
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.3 x 22.0 cm
- Pages
- 660
- Keywords
- Nachschlagewerk, Biografien
- Categories
- Lexika National-Enzyklopädie