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Starhembcrg, lLrnst Rüdiger Graf v. l3l
Schottenthurme auS die Avantgarde wahrnahm, und so grosi hierüber
die Freude der Belagerten war, eine so entgegengesetzte Wirkung er-
zeugte die Annäherung dieses Heeres in dem feindlichen Lager. Das
christliche Heer, unter Anführung des Königs von Polen, Johann
Sobies t i , war bey 69,000 Mann stark, wogegen das türkische
170,000 Mann zählte, und dennoch war ihr ersteres durch seine An-
führer und durch das Hochgefühl des Augenblickes viel überlegen. Am
12. Sept. Morgens zeigte sich das christliche Heer auf dem jenseiti«
gen AbHange des Kahlen- und Leopoldsberges den Belagerern und Be«
lagerten, und dieser Tag war es auch, an welchem die so lange gea'ng«
stigte und so rühmlich ausgeharrte Stadt von ihrem Feinde befreyt wurde;
denn bereits um 12 Uhr Mittags war Heil igenstadt und Nuß-
dorf mit Sturm erobert, und nachdem auch Dornbach und Wah-
ring von dem christlichen Heere besetzt, und die verschiedenen Schanzen
der Türken erstiegen waren, verließ das türkische Heer in größter Un-
ordnung und Verwirrung sein Lager und floh unaufgehalten bis hinter
Raab. So war also die Residenzstadt durch den unerschütterlichen Murh
und die Bewunderung errtgende Standhaftigkeit St.'s, so wie durch die
kluge Leitung und heldenmüthige Tapferkeit des Königs Johann ge-
rettet und von dem Feinde der Christenheit befreyt worden. Kaiser Leo-
pold, welcher am 14. desselben Monaths in W i e n eintraf, be-
lohnte aber auch die Verdienste des Helden St. auf eine entsprechende Art;
ergab ihm einen kostbaren Ring und 100,000 Reichsthaler, den Feld-
marschallstab, ernannte ihn zum Staats- und Conferenzminister, und
ertheilte ihm das Recht, in seinem Wapen den Stephansthurm zum
ewigen Andenken tragen zu dürfen. Gleich dankbar bezeigten sich die Land-
stände durch ansehnliche Geschenke, und durch die Bürgerschaft ward
das große Starhemberg'sche Freyhaus von allen Abgaben frey. Auch
auswärtige Monarchen zollten ihm, als dem Retter der Christenheit,
ihren Dank; so erhielt er von dem Papste In no cenz X I . ein Breve,
voll von Ausdrücken der Bewunderung, des Dankes,und der Aufmun-
terung, und von dem Könige von Spanien den Orden des goldenen
Vließes. St. zog zwar mit der Armee des Königs von Polen nach Un-
garn, ward aber vor Ofen gefährlich verwundet, und kehrte bald dar-
auf nach Wien zurück. Seit dieser Zeit war er als Hofkriegsraths-Prä-
sident stets bemüht, das Kriegswesen zu verbessern, und die Sicherheit
des Staates zu befördern; daher er auch stehende Truppen einführte.
Erstarb den 4. Iän. 1701 zu Wesen dorf im 66. Jahre seines ruhm-
vollen Alters, und liegt zu Wien in der Schottenkirche begraben. Un»
ter seinen Eigenschaften leuchteten vorzüglich heller Verstand, unerschüt-
terliche Strenge, Unerschrockenheit und Tapferkeit hervor. Einen Be-
weis seiner Unerschrockenheit legte er gleich in den ersten Tagen der Be-
lagerung ab, als nähmlich durch eine aus der Rossau bis in den Schot-
tenhof verbreitete Feuersbrunst auch das Zeughaus, in welchem sich die
Pulvervorräthe befanden, bedroht wurde, wo er dann mit mehreren
gleich hochherzigen Ä?ännern dort löschen half, wo die größte Gefahr
sür sie und die ganze Stadt war, und nicht eher sich entfernte, als bis keine
Gefahr mehr zu fürchten war. König Johann von Polen, welcher
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Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe See-V, Volume 5
- Title
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Subtitle
- Buchstabe See-V
- Volume
- 5
- Authors
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Publisher
- H. Strauß
- Location
- Wien
- Date
- 1835
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.3 x 22.0 cm
- Pages
- 604
- Keywords
- Nachschlagewerk, Biografien
- Categories
- Lexika National-Enzyklopädie