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leute aller Welttheile versammelte, von der aus der Welthandel Leben
und Bewegung erhielt; auf dem classischen Boden V.'s, dem Orte,
wo die Macht der Republik ihr Schaugepränge entfaltete. Noch sieht
man den fürchterlichen Löwen, aus dessen Rachen an jedem Morgen die
Zettel gesammelt wurden, auf welchen die geheimen Anklagen vor das
Schreckenstridunal der Zehn gebracht wurden. Der Marcusplatz ist der
Ort/ wo Frieden oder Freundschaft suchende Gesandte fremder Völker
und Fürsten von den Repräsentanten der Republik empfangen, besu-
chende Könige gastlich begrüßt wurden. Hier wurden die neuerwählten
Dogen von den Senatoren dem Volke vorgestellt; hier wurden die Ur-
theile der Tribunale vollstreckt, und hier war es, wo in Zeiten innerer
Fehde die Parteyen einander feindlich gegenüberstanden; hier endlich zeigte
sich im Carneval die bunteste Laune im ergötzlichsten Wechsel, wo Gauk«
ler, Marktschreyer u. dgl. ihre freye Kunst trieben, wo der Venetianer
seine eigenthümlichen Freuden zu suchen seir einem Jahrtausend gewöhne
war. Noch ist der Marcusplatz der Ort, der am meisten besuchr ist, auf
den sich Jeder begibt, der, des Schaukelns der Gondel müde, sich
nach festem Tritt auf festem Boden sehnt, aber'es ist jetzt dort nichr mehr
das bunte Gewimmel der Vorzeit. — Außer der Kathedralkirche zum
heil. Marcus und vielen andern katholischen Kirchen, worunter auch
die prachtvollen Kirchen S. Giorgio maggiore und Sta. Mar ia
della Salute mit den anstoßenden herrlichen Klostergebäuden, vor-
züglich zu erwähnen sind, gibt es hier Kirchen der unirten Griechen,
der Armenier und Prote^anten, im Ganzen 107. Nichr minder merk-
würdig ist die gothische Pfarrkirche S. G i o v a n n i e P a o l o ,
durch die vielen Gemälde und Grabmäler, wie durch ihre Bauart. Die
geschmackvoll gebaute, von Innen mit Marmor und Porphyr reich aus-
gezierte Kirche der hell. Mar ia in Nazareth, i 3ca!xi von den
ehemahligen barfüßigen Carmeliten genannt, erregt Bewunderung^
Die größre Pfarrkirche ist die zur glorreichen Mar ia bey den ehemah-
ligen Minoriten (5ta. Hlaria glorios de' k'l'Äi-i). Ihr Umfang, ihre
gothische Form, die Zahl und Schönbeit der Altare, die Menge und
Pracht der Grabmäler erfüllen gleichfalls mir Bewunderung. l827
wurde daselbst das Denkmal aufgestellt, welches dem berühmte^ Bild-
ner C a n o v a von den aus ganz Europa und sogar aus Amerika
eingegangenen Beyträgen, errichtet wurde. Die Juden haben 7 Sy-
nagogen. — Die Hauptstadt V. ist der Sitz des venetianischen Gubcrniums
mit 8 Delegationen, der Delegation von Venedig; eines kathol. Patriar-
chen (Primas von Dalmatien), und des Domcapicels, des venetian. A>
pellcuionsgerichts, des Civil- und Criminal-Iustiztribunals erster In-
stanz, des Mercantil- und Seetribunals, nebst dem Hafenamte,der Gene-
ral-Polizeydirection und des Kriegs-Marinecommando's. Auch besinder sich
hierein k. k. See-Sanitätsma^istrat, eine General Wohlthängkeitscom-
miffion, ein Arbeitshaus und ein Strafhaus, ferner eine k. k. Tabakfabrik/
Postdireccion, die Gefällendirectionen, Zollanstalten, eine Finanz-
intendanrur, Börse- und Handelskammer. Unter den Stiftungen sind
Merkwürdig, das (^anse^vawrio tli ?ietä, ein ruhmwürdiges Denkmal
menschenfreundlicher Vorsorge, worin mehrere hundert Mädchen itt
Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe See-V, Volume 5
- Title
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Subtitle
- Buchstabe See-V
- Volume
- 5
- Authors
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Publisher
- H. Strauß
- Location
- Wien
- Date
- 1835
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.3 x 22.0 cm
- Pages
- 604
- Keywords
- Nachschlagewerk, Biografien
- Categories
- Lexika National-Enzyklopädie