Page - 147 - in Österreichische National-Enzyklopädie - Buchstabe W-Z, Volume 6
Image of the Page - 147 -
Text of the Page - 147 -
w i r o s ch. l47
mentlich in Sebastian Münster's Cosmögraphey (Basel l564):
„Der seltzsam Pfaff und Pfarrherr von Calenberg, von dem man
durch das gantz Deutschland weiß zu sagen," genannt wird. Über den
eigentlichen Stand und Charakter dieses wunderlichen Individuums
schwebt noch ziemliches Dunkel; am gegründetsten scheint die Vermu-
thung, daß er, unbeschadet seines geistlichen Standes, des lebenslusti-
gen Herzogs Otto des Fröhlichen (gest. 1339) lustlger Rath ge-
wesen und als solcher dessen besondere Gunst genossen habe. Ehe W^
noch diese Stelle erhielt, befand er sich bey einem Bürger und Raths-
herrn als Student und war schon damahls wegen seiner originellen und
lustigen Streiche wohl gelitten. Unter den vielen ergötzlichen Schwan-
ken, welche in den zahlreichen, gleichzeitigen und spätern Samm-
lungen derselben enthalten sind, möge das sonderbare Mittel hier
Platz sinden, womit er als Pfarrherr von Kahlenberg seinen großen
Vorrath verdorbenen Weins an Mann gebracht haben soll. Er ließ
nähmlich an einem heißen Sommertage das Gerücht verbreiten, daß
er vom Kirchthurme über die Donau stiegen wolle, und versammelte
auf diese Art eine ungeheure Men.qe von Ländleuten, die von fettt
und nahe kamen, das unerhörte Spectakel mlt anzusehen. Das ver-
sammelte Volk sah neugierig den mancherley geheimnißvollen Anstal-
ten und Vorbereitungen des muthmaßlichen Tausendkünstlers aufmerk-
sam zu und trank, durch die große Hitze durstig geworden/ begierig
seinen schlechten Wein. Als dieser zu Ende war, fragte W. die Bauern
ganz ernsthaft, ob sie schon je einen Menschen hätten stiegen gesehen.-
Auf ihre verneinende Antwort stieg er ganz gelassen vom Thurme herab
und sprach: „Wenn ihr also noch leinen Menschen stiegen gesehen
habt, so werdet ihr mich auch nicht stiegen sehen;" worauf die Bauern
murrend von dannen zogen. Einst soll er auch einen Sack voll Todten-
köpfe ausgeschüttet und über den Berg hinabgeworfen haben/ wobey
er sich äußerte, daß jeder derselben in einer andern Richtung hinab-
kollerte: „Viel Kopfe, viel Sinne, das thun diese im Tod> waii
werden sie erst im Leben gethan haben." Über Geö'nt und Tod W.'s ist
nichts Zuverläßiges aufzufinden, jedoch ist wahrscheinlich, daß er zu
Neuberg in Steyermark, dem letzten Aufenthält Otto's des Fröh-
lichen gestorben sey. Zur Literatur desselben gehören folgende, jetzt
schon sehr seltene Druckwerke: Geschichte des Pfarrhers von Calenberg ,
Augsburg bey Schönig, ohne Druckjahr. — Psaff vom Eälenberg,
1582. — Geschichte des Pfaffen vom Calenberg und History Peter Lewen,
in Versen, von Ach Ioson 1613 und 1620. Übrigens erwähnen noch
viele alte Schriftsteller seiner, worunter nahmentlich: Bebel , Man*
l ius , Dionysius Melattder und fogarLuther.
tvikosch, Märt . I oh . , k. k.Rath, emeririrter Decan det pht«
losophischen Facultät und Professor der allg. Welt- und öfterr. Staaten-
geschichte, dann der Diplomatit und Heraldik an der Universität zu W i e n,
war geboren am 8. Nov. 1754 zu Ungari fch-Brod in Mähren. An
dem Plansten-Gymnasium zu Straznitz und Nikoksburg stuoirte
er die Humanioren, die philosophischen und juridischen Studien aber an
der Universität zu Olmütz, dann begab er sich nach Wien und besuchte
i0 *
Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe W-Z, Volume 6
- Title
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Subtitle
- Buchstabe W-Z
- Volume
- 6
- Authors
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Publisher
- H. Strauß
- Location
- Wien
- Date
- 1835
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.3 x 22.0 cm
- Pages
- 668
- Keywords
- Nachschlagewerk, Biografien
- Categories
- Lexika National-Enzyklopädie