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I.
EINFLUSSSPHÄREN42
stichen.112 Franz besaß auch selbst Kupferstiche, die er als Geschenk erhielt
und die vermutlich den Grundstock seiner späteren Kupferstichsammlung
bildeten.113 Auch das „Handbuch über Empfang und Ausgaben für die Erz-
herzoge Franz und Ferdinand, sowie Karl, Leopold und Joseph in Florenz“
(1774–1784) verzeichnet regelmäßige Ausgaben für den Ankauf von Kupfer-
stichen.114
Die Frage, inwieweit Großherzog Leopold für seinen ältesten Sohn ein
Vorbild hinsichtlich einer sammlerischen Beschäftigung mit Grafik dar-
stellte, soll ein Blick auf Umfang und Zusammensetzung dessen eigener
Grafiksammlung klären, die als Teil der großherzoglichen Privatbibliothek
im Palazzo Pitti untergebracht war. Ein 1771 gedruckter Katalog der Privat-
bibliothek gewährt einen Einblick in die Bestände zu einem Zeitpunkt, als
Leopold sechs Jahre die Herrschaft im Großherzogtum Toskana innehatte
und Erzherzog Franz drei Jahre alt war.115 Unter dem Kapitel „Estampes“
finden sich in dem Katalog rund zweihundert Stiche und Handzeichnungen
aus damaligem Besitz des Großherzogs aufgelistet. Es handelt sich in der
Mehrheit um Stichreproduktionen biblischen und mythologischen Inhalts
nach barocken Meistern wie Guido Reni, Pietro da Cortona, Andrea Sac-
chi oder Nicolas Poussin, ferner eine Folge von Blättern des französischen
Stecherdilettanten Antoine de Marcenay de Ghuy, etliche Tafeln aus Ge-
orges-Louis Leclerc de Buffons Naturgeschichte „Histoire naturelle […]“116,
Handzeichnungen des neapolitanischen Malers Desiderio de Angelis und
mehrere Prospekte und topografische Ansichten, größtenteils von Neapel
und Umgebung.
Auch wenn die Erwerbungen der folgenden Jahre heute nicht mehr im
Einzelnen zu ermitteln sind, so gibt das 1771 erstellte Verzeichnis doch ei-
nigermaßen Auskunft über den Grundbestand der großherzoglichen grafi-
schen Sammlung im Palazzo Pitti.
Die Analyse der verzeichneten Blätter legt die Vermutung nahe, dass die
Grafiksammlung des Großherzogs in ihrer Dimension wohl zu keinem Zeit-
punkt über den üblichen Grafikbesitz eines aristokratischen Hofes des späten
18. Jahrhunderts hinausging. Leopold war also weit entfernt von einem passi-
onierten Grafiksammler. Die Kunstblätter, die er in den Jahren vor Erschei-
nen des Katalogs gesammelt hatte, entprachen weder in qualitativer noch in
quantitaiver Hinsicht den späteren Sammelambitionen des Erzherzogs Franz.
112 Theiss (1960), S. 38.
113 Wolfsgruber (1899), Bd. 1, S. 230.
114 ÖStA, HHStA, Hausarchiv, Sammelbände 90–2.
115 „Catalogue des livres du cabinet particulier de LL. AA. RR.“, Florenz, 1771, S. 429–440.
116 „Histoire naturelle, générale et particulière“, 44 Bde, Paris, 1749–1804.
Porträtgalerien auf Papier
Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
- Title
- Porträtgalerien auf Papier
- Subtitle
- Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
- Author
- Patrick Poch
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20855-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 326
- Keywords
- Arts, Art Collector, 18th Century, Citizens, Antique Portraits, Kunstsammler, 18. Jahrhundert, Bürger, Antike Porträts, HBJD, European History
- Category
- Kunst und Kultur