Page - 73 - in Porträtgalerien auf Papier - Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
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4. DIE FRÜHEN ERWERBUNGEN AB 1785 73
Wunsch des Schülers nach Anschaulichkeit gestillt werden, das Bedürfnis
zu wissen, wie ein Feldherr, der ihn im Geschichtsunterricht beeindruckt
hatte, aussieht, oder ein Philosoph, mit dessen Schriften er sich beschäftigte.
Erst nach und nach stieg das Interesse an Bildnissen regierender Häup-
ter. Es lässt sich zunächst auch hier kein übergreifendes Konzept erkennen,
etwa dem Vorbild einer Ahnengalerie folgend, wie dies bei der Grundaus-
stattung einer fürstlichen Porträtsammlung zu erwarten wäre. Franz folgte
vielmehr seinem gängigen Muster, Porträts zeitgenössischer Persönlichkei-
ten zu erstehen, welches gerade auch für die Bildnisse regierender Monar-
chen und deren Angehöriger galt. Im Jahr 1788, dem Jahr seiner Teilnahme
am Türkenfeldzug an der Seite seines Onkels Joseph II., erwarb er gleich
drei Bildnisse des Kaisers, zwei bei Artaria und eines bei Löschenkohl.192
Darunter das Doppelbildnis mit dem eigenen Vater und Großherzog der Tos-
kana, Leopold, nach dem ad-vivum-Gemälde von Pompeo Batoni (1769).193
Unter den Ankäufen der ersten Jahre befanden sich fast ausschließlich Por-
träts aktuell regierender Monarchen, oft aus der eigenen Familie, wie der
Tante Marie Antoinette oder des Onkels Ferdinand IV. von Neapel. Ferner
Bildnisse europäischer Herrscher wie der russischen Kaiserin oder der Kö-
nige von Frankreich und Preußen. Der Preußenkönig Friedrich II. nahm un-
ter den Porträts, die in den ersten vier Jahren erworben wurden, eine Son-
derstellung ein. Sein Bildnis und das seines jüngeren Bruders Heinrich von
Preußen wurde von Erzherzog Franz gleich in mehrfachen Ausführungen
angekauft.194 Biografisch-anekdotische Darstellungen wie das Blatt „Ziethen
sitzend vor seinem König den 25ten Januar 1785“ von Daniel Nikolaus Cho-
dowiecki 195, welches zu Lebzeiten Friedrichs des Großen entstand und ihn
mit seinem bereits altersschwachen Husarengeneral Hans Joachim von
Zieten zeigt, fanden ebenso das Interesse des Erzherzogs wie die bereits er-
wähnte Serie Löschenkohls zum Tod Friedrichs, die Franz zwei Monate nach
dessen Ableben erwarb.
Derartige Aktualitätsbezüge lassen sich in den folgenden Jahren im-
192 ÖStA, HHStA, Handarchiv Kaiser Franz 1, 6. Februar und 5. März 1788 (Rechnungen
Artaria) sowie 10. November 1788 (Rechnung Löschenkohl).
193 Es handelte sich höchstwahrscheinlich um die Kupferstich-Reproduktion von Andrea
Rossi (1775), die bereits 1781 in einem Verkaufskatalog von Artaria angepriesen wurde:
Verzeichniß von folgenden Kunstwerken welche Bey Artaria Compagnie Kunst, Kupfer-
stich, Landkarten und Musikalien-Händlern, und Verlegern in Wien auf dem Kohlmarkt
der Michaelerkirche gegenüber um beygesetzte Preise zu haben sind. Wien, 1781. Wien-
bibliothek, Druckschriftensammlung, A-86807, S. 4.
194 ÖStA, HHStA, Handarchiv Kaiser Franz 1, 7. Dezember 1784, 27. Juni 1785 und 16. Ok-
tober 1786 (Rechnungen Artaria).
195 Engelmann (1857), Nr. 565; ÖNB, BAG, PORT_00067422_01.
Porträtgalerien auf Papier
Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
- Title
- Porträtgalerien auf Papier
- Subtitle
- Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
- Author
- Patrick Poch
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20855-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 326
- Keywords
- Arts, Art Collector, 18th Century, Citizens, Antique Portraits, Kunstsammler, 18. Jahrhundert, Bürger, Antike Porträts, HBJD, European History
- Category
- Kunst und Kultur