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4. DIE FRÜHEN ERWERBUNGEN AB 1785 79
cke Universalwissen nach und nach auffächerte. So treten unter den ver-
schiedenen Berufsgruppen Botaniker wie Rémi Willemet oder Joseph Banks,
Mathematiker wie Leonhard Euler und Antoine Deparcieux oder Mediziner
wie William Hunter und Giovanni Alessandro Brambilla auf, der Leibarzt
Josephs II.
Dem Künstlerbildnis kommt eine eher untergeordnete Bedeutung in der
Aufteilung der einzelnen Klassen zu. Auffallend ist, dass es sich auch bei
den, größtenteils bei Artaria angekauften, Bildnissen von Malern oder Gra-
fikern vorwiegend um zeitgenössische Künstler handelte. Hingegen beher-
bergte die eigene Privatbibliothek im Jahr 1807 bereits die Standardwerke
illustrierter Künstlerviten von Giorgio Vasari, Carlo Ridolfi, Ottavio Leoni,
Alessandro Longhi oder Johann Caspar Füssli.215 Schließlich sei noch eine
Reihe von Schauspielern und Sängerinnen erwähnt, die zu dieser Zeit auf
Wiener oder deutschen Theater- und Opernbühnen brillierten und deren
Porträts Eingang in die Sammlung fanden. Dabei faszinierten den jungen
Erzherzog offensichtlich große Heldendarsteller wie Johann Friedrich Reine-
cke ebenso wie der Wiener Komödiant und Possenspieler Josef Felix von
Kurz (gen. Bernardon), die anmutige Schauspielerin Felizitas Abt oder die
italienische Sopranistin Brigida Banti.
Die Frage nach einem vorgefassten inhaltlichen Konzept für die Anlage
der Sammlung lässt sich also aufgrund der Analyse der Erwerbungen der
ersten Jahre verneinen. Vielmehr deutet die thematische Bandbreite der
dargestellten Personen zu Beginn seiner Sammeltätigkeit darauf hin, dass
Franz bei den Ankäufen unmittelbaren Eingebungen folgte und stets offen
war für neue Blätter jenseits von Nationalität oder Standeszugehörigkeit
der Porträtierten. Die Auswahl der Bildnisse basierte einerseits auf Grund-
lage des Angebots des vorwiegend Wiener Kunstmarkt, andererseits auf de-
ren Bezug zu unterschiedlichen Interessensgebieten des Erzherzogs, seien es
im Unterricht vermittelte Inhalte oder persönliche Präferenzen. Es verteilen
sich die Berufsgruppen Staatsmänner und Militärs, Geistliche Würdenträ-
ger sowie Gelehrte und Literaten in etwa gleicher Dichte über die Erwerbun-
gen des untersuchten Zeitraums, wobei ausgerechnet dem Adelsporträt eine
deutlich untergeordnete Bedeutung zukommt. Die Erwerbungsstrategie der
frühen Jahre verfolgte mit ihrer klaren Tendenz zu zeitgenössischen Persön-
lichkeiten keinesfalls das Ziel, eine Ausnahmestellung unter den Kollektio-
215 Vasaris Viten in sieben Bänden kaufte Franz am 23.3.1793 beim Wiener Buchhändler
Gräffer um 20fl. ÖStA, HHStA, GDPFF, 73-3. Der Erwerbungszeitraum der übrigen Titel
ergibt sich durch einen Vergleich der Signaturen der entsprechenden Porträtwerke in der
Privatbibliothek mit dem Schätzgutachten Ignaz Sauers aus dem Jahr 1807. ÖNB, BAG,
FKB.INV.13a-c, „Tabulae aestimationis librorum […]“, 1807.
Porträtgalerien auf Papier
Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
- Title
- Porträtgalerien auf Papier
- Subtitle
- Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
- Author
- Patrick Poch
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20855-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 326
- Keywords
- Arts, Art Collector, 18th Century, Citizens, Antique Portraits, Kunstsammler, 18. Jahrhundert, Bürger, Antike Porträts, HBJD, European History
- Category
- Kunst und Kultur