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II.
SAMMELSTRATEGIEN80
nen bürgerlicher Sammler einzunehmen oder sich von diesen zu unterschei-
den. Vielmehr entsprach sie eben jenem klassischen Sammlungscharakter
des gelehrten Bürgertums dieser Zeit, das sich in seinem Standesbewusst-
sein zunehmend auf gleicher Höhe mit dem Adel sah.
4.1.2. Artaria & Compagnie als Hauptlieferant von Porträtgrafik
Als Erzherzog Franz Mitte der 1780er-Jahre nach Wien kam, hatten sich
dort in den vergangenen Jahrzehnten einige Unternehmen etablieren kön-
nen, die auf den Handel mit grafischen Blättern spezialisiert waren. Die
führende und maßgebende Position auf dem Wiener Kunstmarkt nahm das
Verlagshaus Artaria & Compagnie ein, das seit 1770 am Tuchlauben und ab
1775 auf dem Kohlmarkt, dem Zentrum des Wiener Grafikhandels, residier-
te.216
Bis in die 60er-Jahre des Jahrhunderts wurde in Wien der Handel mit
Kupferstichen, abgesehen von einigen Buchhändlern, vor allem von fahren-
den Bilderhändlern ausgeübt, die auf Märkten umherzogen und ihre Ware
dort vertrieben. Die beiden Cousins Carlo und Francesco aus der vom Comer
See stammenden Kunsthändlerfamilie Artaria, die sich selbst in einer An-
zeige im Wienerischen Diarium als „Kaufleute aus Meyland“217 bezeichne-
ten, wurden 1766 in Wien sesshaft und eröffneten am Tiefen Graben eine
Kupferstichhandlung. 1770 wurden sie von Maria Theresia mit dem Privi-
legium für den Kunsthandel ausgezeichnet und konnten sich fortan als „pri-
vilegierte Kupferstichhändler“ betätigen. Im gleichen Jahr begründeten sie
im Haus Tuchlauben Nr. 5 ein Kunstkontor. Während Carlo, der von seinem
Wiener Zeitgenossen Johann Pezzl als „industrioser Mann und Kenner“ be-
zeichnet wird,218 das Geschäft führte, reiste sein Cousin durch Europa, um
neue Geschäftsverbindungen mit diversen Künstlern anzubahnen. Dank
seiner Reisen verfügte das Geschäft über ein reiches Magazin an zeitgenös-
sischen englischen, französischen, italienischen und deutschen Kupfersti-
chen aller Genres wie Historienblätter, Landschaften oder geistliche Motive,
in erster Linie aber Porträts. Insbesondere die anhaltend hohe Nachfrage
nach englischen Blättern, vor allem in der zu dieser Zeit äußerst geschätzten
Punktiermanier, konnte durch die Kunsthändler ausreichend bedient wer-
den. So lobt auch Johann Pezzl den „herrlichen Vorrath von den schönen
216 Zur Unternehmensgeschichte Artaria & Compagnie vgl. Weinmann (1952), Slezak/Au-
rada (1970), Hilmar (1977), Frank (2007).
217 Wienerisches Diarium Nr. 92 vom 16. November 1768, S. 16.
218 Pezzl (1788), S. 773.
Porträtgalerien auf Papier
Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
- Title
- Porträtgalerien auf Papier
- Subtitle
- Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
- Author
- Patrick Poch
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20855-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 326
- Keywords
- Arts, Art Collector, 18th Century, Citizens, Antique Portraits, Kunstsammler, 18. Jahrhundert, Bürger, Antike Porträts, HBJD, European History
- Category
- Kunst und Kultur