Page - 154 - in Porträtgalerien auf Papier - Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
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III.
ORDNUNGSSTRATEGIEN154
richtete, entstanden entweder reine Gelehrtensammlungen, genealogische
Familiengalerien, Sammlungen, die auf einen regional begrenzten heimat-
lichen Lebensbereich beschränkt waren, oder universale Porträtstichsamm-
lungen, jenseits aller Landes- oder Standesschranken.
6.4.1 Universale Porträtstichsammlungen
Die einfachste Form, Porträtstiche zu sammeln, war, diese aus Büchern he-
rauszuschneiden. Sammlungen, die mittelbar oder unmittelbar auf Druck-
werke unterschiedlicher Inhalte zurückgingen, gelangten schnell zu einer
ansehnlichen Bandbreite in Bezug auf Beruf und Standeszugehörigkeit der
dargestellten Personen. Die Praxis, Porträtstiche aus Büchern herauszulö-
sen, um sie der eigenen Sammlung einzuverleiben, wurde in Ratgebern und
Sammlungsverzeichnissen mehrfach propagiert. Sigmund Jakob Apin rät
den Sammlern von Bildnisstichen: „Findest du vor Büchern, Leich-Predigen,
Calendern, Disputationen Portraits, so nehme sie ohne Bedencken heraus,
und lege sie zu deiner Collection.“ Die Anmerkung Apins am Ende dieses
Absatzes lautet: „Sie müssen aber nicht geborgt, sondern dein eigen seyn.“491
Auch der deutsche Jurist und Sammler Daniel Nettelbladt (1719–1791) rät
dazu, die eigene Sammlung durch herausgelöste Porträts aus Büchern und
anderen Druckwerken bereichern: „Diese Wege zu Bildnissen, die nicht ein-
zeln zu bekommen sind, zu gelangen, sind zwar theils kostbar, theils grau-
sam, sie rechtfertigen sich aber dadurch, daß keine bessere und gelindere
vorhanden sind. Wer hier nicht mitmachet, wird nimmer eine starke und
ansehnliche Sammlung erhalten“492
Porträt- und Kupferstichsammlungen im Allgemeinen waren oft an Bi-
bliotheken angebunden, in deren Nachbarschaft sie aufgestellt waren.
Ähnlich den Privatbibliotheken des 18. Jahrhunderts waren auch Bildnis-
sammlungen mit universal-enzyklopädischem Anspruch, also einem breiten
Repertoire an historischen wie zeitgenössischen, lokalen oder internationa-
len Persönlichkeiten verschiedenster Stände und Professionen, am weites-
ten verbreitet. Eine umfassende, universelle Porträtsammlung historischer
Persönlichkeiten umfasse laut Apin neben den Gelehrten aller Fakultäten
Potentaten wie Päpste, römische und türkische Kaiser, Könige, Kurfürsten,
Fürsten, Grafen, Freiherren, Adelige, berühmte Generäle und Kriegshelden
sowie das Patriziat in den freien Reichsstädten.493
491 Apin (1728), S. 32.
492 Nettelbladt (1758), S. 380.
493 Apin (1728), S. 38.
Porträtgalerien auf Papier
Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
- Title
- Porträtgalerien auf Papier
- Subtitle
- Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
- Author
- Patrick Poch
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20855-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 326
- Keywords
- Arts, Art Collector, 18th Century, Citizens, Antique Portraits, Kunstsammler, 18. Jahrhundert, Bürger, Antike Porträts, HBJD, European History
- Category
- Kunst und Kultur