Page - 156 - in Porträtgalerien auf Papier - Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
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III.
ORDNUNGSSTRATEGIEN156
seiner Biografie, nicht zuletzt auch an seiner äußeren Erscheinung. In den
Universitäts-, Handels- und Residenzstädten wurden zahlreiche Privatbib-
liotheken im gelehrten Milieu um Sammlungen von Bildnissen und Biogra-
fien berühmter Gelehrter ergänzt. Diese Sammlungen fungierten gleichsam
als andere Form einer Gelehrtenbibliothek, auch sie dienten dem Betrei-
ben gelehrter Studien. Daniel Nettelbladt führt als primären Nutzen und
Endzweck einer Bildnissammlung von Gelehrten an, bezüglich der eigenen
Kenntnis der Gelehrtengeschichte „seinem Gedächtnisse zu Hülfe [zu] kom-
me[n]“. Er rät daher, eine solche Sammlung chronologisch nach den Sterbe-
jahren der Dargestellten einzurichten.498
Im ausgehenden 18. Jahrhundert rekrutierte sich der „gelehrte Stand“
aus einer breiteren Schicht akademisch Gebildeter, die sich nicht mehr nur
aus Fachgelehrten oder lateinkundigen „Literati“ zusammensetzte, sondern
darüber hinaus auch Universitätsabsolventen und Schreibende mit ein-
schloss.499 Letztere wurden häufig durch druckgrafische Porträts gewürdigt,
die als Frontispize ihren eigenen Schriften vorangestellt waren. Das Sam-
meln von Bildnissen berühmter Gelehrter wurde zur Beschäftigung eines
gebildeten Mittelstandes. Über die im letzten Drittel des Jahrhunderts ver-
mehrt erscheinenden literarischen Journale oder Kunstzeitschriften wie die
„Miscellaneen artistischen Inhalts“ standen die Sammler in Dialog und stell-
ten ihre Kollektionen vor. Es finden sich dort Rezensionen neu erschienener
Kupferstiche ebenso wie Subskriptionsangebote und Annoncen von Kunst-
und Buchhändlern, auch Porträtstiche, wie etwa in der von Friedrich Nicolai
herausgegebenen Rezensionszeitschrift „Allgemeine deutsche Bibliothek“.500
Nicolais eigene Porträtsammlung enthielt fast ausschließlich Bildnisse von
Gelehrten der verschiedensten Disziplinen, vor allem aber Theologen und
Schriftgelehrte, daneben auch zahlreiche Künstlerbildnisse (siehe Anhang
IV). Die polyhistorische Gelehrsamkeit des Barock wich im 18. Jahrhundert
einer enger gefassten Gruppe einzelner Fachwissenschaften. An die Stelle
der Porträtsammlungen von Vertretern universaler gelehrter Interessen
wie der des Nürnberger Arztes und Gelehrten Gottfried Thomasius (1660–
1746)501 traten nun häufiger reine Sammlungen von Juristen, Ärzten oder
498 Nettelbladt (1758), S. 379.
499 Vgl. Bosse (2008), S. 13–16. So schreibt Friedrich Nicolai in seinem Sebaldus Nothanker
(1773): „Sehr selten ist bey uns ein Gelehrter ein Homme de Lettres. Ein Gelehrter ist bey
uns ein Theologe, ein Jurist, ein Mediciner, ein Philosoph, ein Professor, ein Magister, ein
Director, ein Rector, ein Conrector, ein Subrector, ein Baccalaureus, ein Collega infimus,
und er schreibt auch nur für seine Zuhörer und seine Untergebnen.“ Nicolai (1773), S. 121.
500 Zur Entstehung und Entwicklung deutschsprachiger Rezensionszeitschriften im 18. Jahr-
hundert vgl. Habel (2007), Wilke (1978).
501 Kap. 7.5.1.
Porträtgalerien auf Papier
Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
- Title
- Porträtgalerien auf Papier
- Subtitle
- Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
- Author
- Patrick Poch
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20855-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 326
- Keywords
- Arts, Art Collector, 18th Century, Citizens, Antique Portraits, Kunstsammler, 18. Jahrhundert, Bürger, Antike Porträts, HBJD, European History
- Category
- Kunst und Kultur