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III.
ORDNUNGSSTRATEGIEN172
Hiernach fächerte sich das Bürgertum je nach Berufsstand bzw. gesell-
schaftlicher Position in mehr oder weniger eng gefasste Klassen auf. Die
Feingliederung einer nach Ständen und Berufen gegliederten Sammlung
konnte ganz unterschiedliche Erscheinungsformen annehmen.554 Zu Beginn
stand zumeist das finanzkräftige Stadtbürgertum – Rats- oder Kaufherren,
denen ein höherer Stand innerhalb des Klassengefüges zugebilligt wurde.
Danach erst folgten bildwürdige Vertreter niederer Stände, etwa hand-
werklicher Berufsgruppen wie Buchdrucker etc. Auch dem Künstlerbildnis
kam generell eine nachgereihte Bedeutung innerhalb der ständisch struk-
turierten Ordnungssystematik zu, entweder in einer Klasse zusammenge-
fasst oder in einzelne Gattungen aufgegliedert wie „Maler“ oder „berühmte
Musiker“.555 Sie bildeten meist den Abschluss. Nicht selten trifft man auch
auf Abteilungen von „Frauenzimmern“, gleich, ob diese sich in Wissenschaft
oder Künsten hervorgetan haben oder aufgrund ihrer Schönheit Bildwür-
digkeit erlangten. Desgleichen wurden oft Klassen von „Merkwürdigen
Personen“ oder „lächerlichen Kupfern“ angelegt, worunter man neben Dar-
stellungen von Hofnarren und Harlekins auch solche von Riesen, Kleinwüch-
sigen, Feuerschluckern oder Wasserspeiern legte. Die Grenzen derartiger
Ordnungskonstruktionen, die jedem Bildnis eine feststehende Position in-
nerhalb einer Abfolge nach Rang und Stand zuweisen, zeigen sich dort, wo
Personen gleichzeitig unter mehreren Kategorien abgelegt werden konnten.
So entstammten etwa Feldherren und hohe Militärs sowie der hohe Klerus
der katholischen Kirche nicht selten adeligen Familien, die bereits in einer
genealogischen Abteilung Aufstellung fanden.
Entsprach das Ordnungskonzept gemäß der herkömmlichen Gesell-
schaftsordnung Adel – Klerus – Bürgertum auch vielfach nicht mehr der
gesellschaftlichen Realität des ausgehenden 18. Jahrhunderts – das Bürger-
tum in den Städten sah sich in seinem Standesbewusstsein zumindest auf
gleicher Höhe mit dem Adel –, so bildete die Anordnung der Dargestellten
entsprechend ihrer Position im gesellschaftlichen Gefüge doch ein bewährtes
System für die Bildung von Klassen. Es erleichterte das Ablegen und Auffin-
den von Porträts.
554 Als heute noch erhaltenes Beispiel für eine nach Ständen geordnete Sammlung sei neben
der Porträtstichsammlung des Friedrich Nicolai im Landesarchiv Berlin auch die Porträt-
sammlung des Jakob Gottfried Bötticher in der Bibliothek der Franckeschen Stiftungen
in Halle angeführt, welche rund 13.000 druckgrafische Abbildungen von Fürsten, bedeu-
tenden Gelehrten, Staatsmännern und Künstlern enthält, die von Bötticher ursprünglich
nach Berufsgruppen bzw. gesellschaftlicher Stellung der Dargestellten geordnet worden
waren. Vgl. Ekkehhard. Mitteilungsblatt des Hallischen Genealogischen Abends, Bd. 3,
Halle, 1927, S. 11, bzw. Matschke (2003), S. 42.
555 So etwa in der Porträtsammlung des Jakob Gottfried Bötticher. Vgl. Matschke (2003), S. 49.
Porträtgalerien auf Papier
Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
- Title
- Porträtgalerien auf Papier
- Subtitle
- Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
- Author
- Patrick Poch
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20855-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 326
- Keywords
- Arts, Art Collector, 18th Century, Citizens, Antique Portraits, Kunstsammler, 18. Jahrhundert, Bürger, Antike Porträts, HBJD, European History
- Category
- Kunst und Kultur