Page - 197 - in Porträtgalerien auf Papier - Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
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7. ORDNUNGSMODELLE ARISTOKRATISCHER PORTRÄTSTICHSAMMLUNGEN 197
Nur wenige Jahre später stand der Leibarzt des sächsischen Kurfürsten
August des Starken, Johann Heinrich von Heucher, vor der Aufgabe, einen
Bestand von mehreren tausend druckgrafischen Werken aus verschiedenen
kurfürstlichen Sammlungen zusammenzuführen und daraus das neu ge-
gründete Dresdner Kupferstich-Kabinett zu formieren. Die Systematik, die
er nach modernen wissenschaftlichen Grundsätzen einführte, sah eine Klas-
sifizierung der Kupferstiche nach Malerschulen und innerhalb dieser nach
motivischen Kriterien vor. Daneben richtete er Schränke ein, die ausschließ-
lich nach Sujets geordnete Blätter enthielten, wie Architekturdarstellungen,
Ornamente oder Kostüme. Unter ihnen befand sich auch, auf zwei Schränke
verteilt, die umfangreiche Sammlung von Porträtstichen.
7.4 Die Porträtstichsammlung Augusts des Starken
Der Grafikbesitz der sächsischen Kurfürsten, die von 1697 bis 1763 als Au-
gust II. (1670–1733) und August III. (1696–1763) zugleich Könige von Polen
waren, reicht bis weit in das 16. Jahrhundert zurück, als Kurfürst August
(1526–1586) um 1560 eine enzyklopädisch angelegte Kunstkammer errich-
ten ließ, die bis nach 1701 im Dachgeschoß des Dresdner Residenzschlosses
untergebracht war.657 Kurfürst Friedrich August I., der Starke, ließ 1720 die
einzelnen Sammlungsbereiche der kurfürstlichen Kunstkammer in Spezi-
alsammlungen aufgliedern. Die Bestände an Zeichnungen und grafischen
Blättern ließ er aus Kunstkammer und königlicher Bibliothek herauslösen
und als selbstständige repräsentative Sammlung neu aufstellen. Etwa zeit-
gleich mit der Formierung der Kupferstichsammlung des Prinzen Eugen
in Wien und ein halbes Jahrhundert nach der Gründung des Cabinet des
Estampes Ludwigs XIV. entstand so das zweitälteste königliche Kupfer-
stich-Kabinett in Europa.658
Zur Unterbringung der neuen Sammlung, aber auch des Naturalien- und
Münzkabinetts sowie der königlichen Bibliothek wurde im August 1720 das
Regimentshaus am Dresdner Jüdenhof, ehemaliger Wohnsitz des Stadtgou-
verneurs, bestimmt. Die zunächst als „Estampes-Cammer“ bezeichnete Gra-
fiksammlung war in zwei Sälen um den dritten Hof untergebracht, wobei die
geplante Aufstellung vom König eigenhändig in den Grundriss des Gebäudes
657 Zur Frühgeschichte des Grafiksammelns in Dresden vgl. die ausführliche Arbeit von
Christien Melzer (2010).
658 Zur Geschichte des Dresdner Kupferstich-Kabinetts vgl. Singer (1911), Heres (1991),
Schnitzer (2000), Dittrich (2010), Melzer (2010).
Porträtgalerien auf Papier
Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
- Title
- Porträtgalerien auf Papier
- Subtitle
- Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
- Author
- Patrick Poch
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20855-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 326
- Keywords
- Arts, Art Collector, 18th Century, Citizens, Antique Portraits, Kunstsammler, 18. Jahrhundert, Bürger, Antike Porträts, HBJD, European History
- Category
- Kunst und Kultur