Page - 215 - in Porträtgalerien auf Papier - Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
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7. ORDNUNGSMODELLE ARISTOKRATISCHER PORTRÄTSTICHSAMMLUNGEN 215
chem Ausmaß, die der Prinz auf einem
seiner Aufenthalte in Nürnberg er-
werben und seiner eigenen Sammlung
einverleiben konnte, nämlich die des
Nürnberger Arztes und Gelehrten Gott-
fried Thomasius (1660–1746).
Gottfried Thomasius von Troschen-
reuth und Wiedersberg, Mitglied der
Kaiserlich Leopoldinisch-Carolinischen
Akademie und weitgerühmter Medi-
ziner, besaß neben einer der größten
nürnbergischen Bibliotheken seiner
Zeit von etwa 27.000 Bänden auch eine
bedeutende Sammlung von Colloquien,
Episteln und Tagebüchern vorreforma-
torischer bis zeitgenössischer Theolo-
gen.703 Er selbst verfasste Elogen und
kleine Verse in verschiedenen Spra-
chen, vor allem für Bildnisse gelehrter
Zeitgenossen.704 Dazu kamen eine erlesene Münzsammlung und die Port-
rätsammlung, die zu seiner Zeit zu den größten dieser Art in Deutschland
zählte.705 Thomasius’ Haus in Nürnberg war Sammelplatz einheimischer
wie ausländischer Gelehrter, zahlreiche hohe Gäste beehrten ihn auf ih-
ren Reisen durch Nürnberg mit ihrem persönlichen Besuch. Es ist möglich,
dass Prinz Eugen nach der erfolgreichen Schlacht bei Malplaquet und der
Einnahme der Festungen Mons und Dornick im Dezember 1709 auf seiner
Durchreise durch Nürnberg bei Thomasius zu Gast war. Im Nürnberger
Ratsverlass wird von einer feierlichen Begrüßung des hohen Gastes durch
den reichsstädtischen Rat am 1. Dezember 1709 im Wirtshaus zur Goldenen
703 Die Bibliothek wurde auf Veranlassung seiner einzigen Tochter und Erbin erst 24 Jahre
nach Thomasius’ Tod am 8. Juni 1770 in Nürnberg versteigert. Eine erste Anzeige in
den Leipziger „Neuen Zeitungen von Gelehrten Sachen“ erschien allerdings bereits am
2. März 1747. Der dreibändige Auktionskatalog, verfasst vom Nürnberger Bibliographen
Georg Wolfgang Panzer, entstand ebenfalls über 24 Jahre. In der 32 Seiten langen latei-
nischen Vorrede ist eine ausführliche Lebensbeschreibung des Bibliothekenbesitzers ent-
halten: Bibliothecae Thomasianae sive locupletissimi thesauri ex omni scientia librorum
(…), Nürnberg, 1745–1769.
704 Z.B. auf einem Kupferstichporträt des Leipziger Juristen und Dichters Caspar Ziegler
(1621–1690) von Jacob von Sandrart.
705 Zum Umfang einzelner privater Porträtstichsammlungen im 18. Jahrhundert vgl. Sche-
teling (1795), S. VIII f, und S. XIV f.
Abb. 61: Gottfried Thomasius (1660–
1746)
Porträtgalerien auf Papier
Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
- Title
- Porträtgalerien auf Papier
- Subtitle
- Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
- Author
- Patrick Poch
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20855-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 326
- Keywords
- Arts, Art Collector, 18th Century, Citizens, Antique Portraits, Kunstsammler, 18. Jahrhundert, Bürger, Antike Porträts, HBJD, European History
- Category
- Kunst und Kultur