Page - 250 - in Porträtgalerien auf Papier - Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
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III.
ORDNUNGSSTRATEGIEN250
großräumigen Porträtgalerien umzugestalten. Dabei entfernte man zunächst
die historischen Wandtäfelungen, um glatte Wände zu schaffen. Dort wurden
nun tausende Porträtgemälde in mehreren Reihen übereinander gehängt. Im
Badesaal der Marie-Antoinette entstand ein „Salle des Rois de France“ mit
den Porträts der Könige von Frankreich von Chlodwig I. bis Louis-Philippe,
vierzehn „Salles des Maréchaux“ stellten die Marschälle von Frankreich seit
dem 12. Jahrhundert in chronologischer Folge vor, weitere Säle waren den
„Amiraux“, „Connétables“ und „Guerriers célèbres“ gewidmet.
Bereits einige Jahre zuvor hatte eine eigens installierte staatliche „In-
spection des monuments historiques“ unter der Leitung des Autors Prosper
Mérimée den Auftrag erhalten, in Depots und Residenzen des ganzen Lan-
des nach Gemälden, Statuen und Büsten von historischem Wert zu forschen.
So stammten zahlreiche Porträtgemälde, die im „Musée historique“ präsen-
tiert wurden, aus der Pariser Sorbonne oder der Académie française. Por-
träts von Admirälen wurden aus dem Marineministerium, eine Serie von
Marschällen aus dem Hôtel de Toulouse in Paris entlehnt.787 Freilich konnte
man bei Weitem nicht genug Material heranschaffen, um die geplanten Bild-
nisgalerien lückenlos darzustellen. Ein beträchtlicher Teil der Gemälde ent-
stand deshalb als Auftragsarbeiten zeitgenössischer französischer Maler für
das Museum. Sie hingen inmitten berühmter Werke von Charles Le Brun,
Hyacinthe Rigaud, Eugène Delacroix oder François Gérard.
Nach der Herrschaft Kaiser Napoleons III. und der Proklamierung des
deutschen Kaiserreiches am 18. Jänner 1871 in der „Galerie des Glaces“
sollte das Schloss Ende des 19. Jahrhunderts durch den damaligen Konserva-
tor Pierre de Nolhac wieder weitgehend als Königsschloss hergestellt werden.
In den folgenden Jahrzehnten wurden große Teile des ehemaligen „Musée
historique“ komplett entfernt und lediglich Originalgemälde sowie die gro-
ßen Historiensäle Louis-Philippes belassen. Einen ungefähren Eindruck von
der ursprünglichen chronologischen Anordnung der Gemälde und Skulpturen
bietet das monumentale mehrbändige Werk von Charles Gavard, „Galeries
historiques de Versailles“, quasi ein illustrierter Generalkatalog des Muse-
ums, welcher bereits ab 1838, ein Jahr nach der Museumseröffnung, bis 1848
in insgesamt 13 Bänden, 6 Supplementbänden und einem umfangreichen Be-
gleittext in weiteren vier Bänden erschien. Eine vollständige Prachtausgabe
wurde auch für die kaiserliche Fideikommissbibliothek angeschafft.788
Von besonderer Bedeutung für die vorliegende Studie ist jene Galerie, die
sich über die Wände beider Flügel im zweiten Stock des Schlosses erstreckte.
Neben den Sälen im Erdgeschoß, die überwiegend den Porträts der Großäm-
787 Nolhac (1896), S. 40.
788 Gavard (1838–48); ÖNB, BAG, 275.329-F.Fid.
Porträtgalerien auf Papier
Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
- Title
- Porträtgalerien auf Papier
- Subtitle
- Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
- Author
- Patrick Poch
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20855-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 326
- Keywords
- Arts, Art Collector, 18th Century, Citizens, Antique Portraits, Kunstsammler, 18. Jahrhundert, Bürger, Antike Porträts, HBJD, European History
- Category
- Kunst und Kultur