Page - 267 - in Porträtgalerien auf Papier - Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
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8. DIE ORDNUNG DER PORTRÄTSTICHSAMMLUNG KAISER FRANZ’ I. 267
Der Begriff „Stände“ in Zusammenhang mit den Ordnungsklassen der
nicht dynastischen Porträts taucht in den Akten erst im Zusammenhang mit
der Neuordnung der Sammlung und der Erstellung eines Katalogs auf. Der
Bibliothekar Leopold Joseph von Khloyber berichtet dem Kaiser im Februar
1832, die Reinschrift des aus 31 Folio-Bänden bestehenden Katalogs sei nun
beendet und dieser nach den „vorhandenen 70 Classen der Stände geord-
net“.817 Bereits zwei Jahre zuvor legt Khloyber einen Bericht zum Stand der
Bibliothek vor, in welchem er die zwei Abteilungen der Porträtsammlung
als „Porträten regierender Familien“ und „Porträten verschiedener Stände“
anführt.818 Hingegen trägt der Titel des im Jahr 1832 fertiggestellten Kata-
logs schließlich nicht mehr nur die Bezeichnung „nach Ständen“, sondern
den Zusatz „oder anderen bemerkenswerthen Eigenschaften der dargestell-
ten Personen“. Zu sehr haben sich die darin angeführten Kategorien vom
ursprünglichen Begriff des „Standes“, nach Georg Stephan Wiesands Juris-
tischem Handbuch von 1762 die Definition des Rechtsstatus einer Person,
entfernt.819 Die Klassifizierungsmerkmale der darin abgegrenzten gesell-
schaftlichen Personengruppen sind vielmehr beruflicher, weltanschaulicher,
sozialer oder körperlicher Natur.
Wenngleich das Ordnungskonzept zahlreicher Porträtstichsammlungen
des ausgehenden 18. Jahrhunderts im Prinzip noch der konventionellen hi-
erarchischen Systematik entsprach, die jedem Dargestellten eine gesicherte
Position in einer ständischen Wertordnung zuwies, so wusste man doch,
dass dies längst nicht mehr der gesellschaftlichen Realität entsprach. Die
Auflösung der herkömmlichen, streng abgegrenzten Ständegesellschaft war
längst fortgeschritten. Aufklärung und Industrialisierung hatten tiefgrei-
fende soziale Veränderungen nach sich gezogen, die Privilegien des Adels
waren größtenteils abgeschafft, das aufstrebende Besitz- und Bildungs-
bürgertum bildete nun den Stand der „Honoratioren“, Gelehrten, Künstler
und Kaufleute.820 In der Kaiserstadt Wien, die um 1800 etwa 230.000 Ein-
wohner zählte, war die Situation freilich noch eine andere. Umwälzungen
im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereich vollzogen sich dort erst
zeitversetzt, es kam zu einer „Verzögerung der Verbürgerlichung“ (Horst
817 ÖNB, BAG, FKBA16018, fol. 1r.
818 ÖStA, HHStA, Handarchiv Kaiser Franz I, 20, 15. März 1829, fol. 1r.
819 Wiesand (1762), S. 1012. Zitiert nach Bosse (2008), S. 18.
820 Die „Allgemeine deutsche Real-Encyclopädie für die gebildeten Stände […]“ definiert 1824
im Artikel „Bürgerstand“: „Eine Abtheilung des Bürgerstandes heißt die Classe der Ho-
noratioren, vornehmere Bürger; sie begreift den Stand der Gelehrten, Künstler und Kauf-
leute.“ Deren „Ausschließung fällt nothwendig weg, wo Bildung und Verdienst allein die
Würdigkeit bestimmen sollen“.
Porträtgalerien auf Papier
Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
- Title
- Porträtgalerien auf Papier
- Subtitle
- Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
- Author
- Patrick Poch
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20855-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 326
- Keywords
- Arts, Art Collector, 18th Century, Citizens, Antique Portraits, Kunstsammler, 18. Jahrhundert, Bürger, Antike Porträts, HBJD, European History
- Category
- Kunst und Kultur