Page - 275 - in Porträtgalerien auf Papier - Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
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8. DIE ORDNUNG DER PORTRÄTSTICHSAMMLUNG KAISER FRANZ’ I. 275
enger gefasste Berufsklassen wie die „Chimici“ (Chemiker), bei welchen es
sich überwiegend um Alchemisten handelte. Gerade im Bereich der Na-
turwissenschaften kam es infolge der Neuinventarisierung jedoch zu einer
vielschichtigen Aufgliederung in mehrere neu angelegte Berufsklassen.
Dem lagen durchaus pragmatische Motive zugrunde. Zum einen war man
offensichtlich mit einem zunehmenden Bestand an Porträtstichen einzelner
Autoren konfrontiert, die durch die wachsende literarische Produktion im
Bereich der Naturkunde und sonstigen Wissenschaften und der darin ent-
haltenen Frontispizporträts in die Sammlung gelangten. Zum anderen be-
grenzten sich die einzelnen Wissenschaftszweige immer klarer, die univer-
sale Gelehrsamkeit des Barock spaltete sich auf immer mehr Einzelfächer
auf. So treten in den Klassenkatalogen nun Berufsgruppen wie Botaniker,
Mathematiker, Physiker, Geographen, Mineralogen oder Zoologen auf. Auch
ökonomische Entwicklungen und volkswirtschaftliche Schriften des ausge-
henden 18. Jahrhunderts spiegeln sich in der Etablierung neuer Ordnungs-
klassen. Das bürgerliche Kaufherrenbildnis, überwiegend aus süddeutschen
Reichsstädten, wurde in den vom Kaiser angelegten „Catalogen“ noch den
allgemeinen Kategorien der „Bürger“ oder „Ratsherren“ zugeordnet. Im
Bandkatalog bildete es nun gemeinsam mit Bankiers und Großhändlern, die
durch frühindustrielle und kapitalistische Entwicklungen allgemeine Be-
kanntheit erlangt hatten, die Klasse der „Handelsleute“. Für Schriftsteller
im Bereich der politischen Ökonomie wurde die Rubrik „Ökonomen“ ange-
legt.
Die allgemeine Klasse der „Künstler“, welche bei Franz neben jener der
Maler bestand, wurde aufgeteilt in „Kupferstecher“ und „Bildhauer“, aus de-
nen sie sich weitestgehend zusammensetzte.836 Zusätzlich wurde auch eine
neue Klasse der „Baumeister“ geschaffen. Die Rubrik „Künstler“ wurde in-
des beibehalten, sie umfasste nun alle möglichen künstlerisch-handwerklich
tätigen Personen wie Medailleure, Siegelschneider oder Goldschmiede sowie
Kunstsammler und -kenner. Anpassungen wurden auch hinsichtlich des
Sprachgebrauchs einzelner Klassenbezeichnungen vorgenommen. Bei meh-
reren wurden deren Benennungen stilistisch überarbeitet, eingedeutscht
oder dem Sprachgebrauch der Zeit angepasst. So wurden aus den „Medici“
und „Chirurgi“ nun Ärzte und Wundärzte, aus den „Chimici“ Chemiker und
aus den „Musici“ Tonkünstler. Die Klasse der „Rebellen“ wurde in „Auf-
rührer“ umbenannt, die „Wunderbaren Geschöpfe“ in „Missgestalten“. Hä-
retiker, die vom Kaiser noch gemeinsam mit den Reformatoren unter dem
Begriff „Ketzer“ zusammengefasst wurden, nannte man nun „Irrlehrer und
Anhänger derselben“.
836 Zum Stellenwert der Kupferstecher im druckgrafischen Porträt vgl. Poch (2011).
Porträtgalerien auf Papier
Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
- Title
- Porträtgalerien auf Papier
- Subtitle
- Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
- Author
- Patrick Poch
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20855-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 326
- Keywords
- Arts, Art Collector, 18th Century, Citizens, Antique Portraits, Kunstsammler, 18. Jahrhundert, Bürger, Antike Porträts, HBJD, European History
- Category
- Kunst und Kultur