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Rausch der Verwandlung
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Page - 50 - in Rausch der Verwandlung

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Einzelne aus der Corona diesem vollendeten Paare zu, und sie wieder spürt mitten im Tanz rauschhaft und stark dieses Bewundert- und Beobachtetsein. Immer sicherer und folgsamer fügt sie sich in den Willen des führenden Partners, mit dem sie Atem und Bewegung mischt, und die neuentdeckte Lust am eigenen Leib strömt wie durch neuaufgebrochene Poren nach innen und spannt die Seele zu noch nie erlebtem Gefühl. Nach dem Tanz führt sie der hohe blonde Mann – er hat sich als Ingenieur aus Gladbach vorgestellt – höflich an den Tisch des Onkels zurück. Im Augenblick, da er den Arm von ihr löst, die Wärme der kleinen Berührung wegfällt, spürt sie sich schwächer und vermindert, als sei mit diesem zerrissenen Kontakt ein Teil dieser neuen Kraft wieder weggeströmt. Wie sie sich niedersetzt, hat sie die Sinne noch nicht beisammen. Schwach und beglückt lächelt sie dem Onkel zu, der sie freundlich empfängt, und merkt im ersten Augenblick gar nicht, daß bereits ein Dritter an ihrem Tisch sitzt: General Elkins. Jetzt steht er höflich auf und verbeugt sich. Er ist eigens gekommen, um die Tante zu bitten, ihn diesem »charming girl« vorzustellen: wie vor einer großen Dame, den Körper gestrafft, das ernste Gesicht respektvoll gebeugt, steht er vor ihr. Christine erschrickt und sucht ihre Sinne zusammen. Mein Gott, was sprechen mit einem so furchtbar vornehmen und berühmten Mann, dessen Bild, wie die Tante erzählt, in allen Zeitungen und sogar im Kino zu sehen war? Aber General Elkins selbst ist es, der sich bei ihr entschuldigt für sein armes Deutsch. Er habe zwar in Heidelberg studiert, aber das sei, traurig für ihn, solche Zahlen eingestehen zu müssen, schon mehr als vierzig Jahre her, und eine so prächtige Tänzerin müsse schon Nachsicht üben, wenn er sich erlaube, sie um den nächsten Tanz zu bitten: im linken Schenkel stecke ihm noch ein Sprengschußstück von Ypern her, aber schließlich, nur mit Nachsicht käme man in dieser Welt zu Rande. Christine weiß vor Beschämung gar nicht zu antworten, erst wie sie dann langsam und vorsichtig mit ihm tanzt, staunt sie selbst, wie leicht ihr mit einmal das Konvenieren wird. Wer bin ich denn eigentlich, schauert es ihr unter der Haut, was ist denn mit mir? Wieso kann ich dies alles mit einemmal? Wie gut, wie locker ich mich bewege und war doch sonst, der Tanzlehrer hat’s gesagt, so hölzern und ungeschickt, und jetzt führe ich doch eher ihn als er mich? Und wie leicht ich spreche, vielleicht gar nicht so einfältig, denn er hört mir doch so gütig zu, dieser bedeutende Mann. Hat mich das Kleid, hat mich die Welt hier so anders gemacht, oder war dies alles schon in mir und ich bin nur immer zu mutlos gewesen, zu verschüchtert? Die Mutter hat es ja immer gesagt. Vielleicht ist das alles gar nicht so schwer, vielleicht das ganze Leben unendlich leichter, als ich es glaubte, nur Mut muß man haben, nur sich selber fühlen und spüren, dann kommt von unvermuteten Himmeln die Kraft. Nach dem Tanz führt sie General Elkins noch langsam und gemessen im 50
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Rausch der Verwandlung
Title
Rausch der Verwandlung
Author
Stefan Zweig
Date
1982
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
204
Categories
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