Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Weiteres
Belletristik
Rausch der Verwandlung
Page - 66 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 66 - in Rausch der Verwandlung

Image of the Page - 66 -

Image of the Page - 66 - in Rausch der Verwandlung

Text of the Page - 66 -

Namen hinein, wie in das Zimmer mit den sanften Farben und den spiegelnden Möbeln, wie in den Luxus und die Leichtigkeit des Hotels, in die fraglose Selbstverständlichkeit des Geldes und den ganzen, aus hundert einzelnen Elementen gewobenen Rausch der Verführung. Wenn jemand Wissender sie jetzt plötzlich mit Fräulein Hoflehner anredete, sie würde aufschrecken wie eine Schlafwandlerin und niederstürzen vom First ihres Traums, so völlig ist der neue Name in sie hineingewachsen, so leidenschaftlich ist sie überzeugt, eine andere, jene andere zu sein. Aber ist sie nicht wirklich schon eine andere geworden in diesen wenigen Tagen, hat nicht tatsächlich die Hochalpenluft andern Druck in ihre Adern geschraubt, die reichlichere, üppigere Nahrung bereits anders und farbiger die Zellen im Blut gemischt? Unleugbar, Christiane von Boolen sieht anders aus, jünger, frischer als ihre Aschenputtelschwester, die Postassistentin Hoflehner, und kaum mehr ihr ähnlich. Bergsonne hat die stubenblasse, leicht aschenfarbene Haut in indianisches Braun getönt, straffer spannen die Muskeln den Nacken, ein neuer Gang ist ihr mit den neuen Kleidern gewachsen, lockerer in den Gelenken, weicher und sinnlicher in den Hüften und mit einem Aufstoß von Selbstbewußtsein bei jedem Schritte. Das stete Umtummeln im Freien hat den Körper erstaunlich aufgefrischt, Tanz ihn geschmeidigt, und diese neuentdeckte Kraft, dieses unvermutete Jungsein will sich unablässig proben, denn hitziger pocht das Herz unter der atmenden Brust, immer spürt sie innen ein moussierendes Brausen und Gären, ein Dehnen und Spannen, elektrisch aufprickelnd bis in die Fingerspitzen, fremde, neue, starke Lust. Ruhig zu sitzen, etwas gemächlich zu tun, wird ihr mit einmal schwer, immer muß sie ausfahren und sich tummeln, wie ein Windstoß fährt sie durch die Zimmer, immer beschäftigt, immer von Neugier gejagt, bald da, bald dort, türheraus, türherein, treppauf und treppab, und die Treppe geht sie niemals Schritt für Schritt, sondern immer drei Stufen auf einmal, immer als müßte sie etwas versäumen, immer vom innern Sturme getrieben. Immer müssen ihre Hände, ihre Finger jemanden oder etwas anfassen, so stark drängt ein Spieltrieb, ein Zärtlichkeits-, ein Dankbarkeitsbedürfnis aus ihr heraus, manchmal, urplötzlich muß sie die Arme spannen und ins Leere gähnen, um nicht laut zu lachen oder zu schreien. So stark ist die Spannung, die von ihrem vehementen Jungsein ausgeht, daß sie wellenhaft weiterwirkt: wer ihr nahekommt, gerät sofort in einen Wirbel von Tumult und Übermut. Wo sie sitzt, dort lacht und dröhnt es, dort wird er sofort aufgemischt, jedes Gespräch flackert hell und klingend auf, sobald sie sich, immer glücklodernd, immer spaßfreudig einmengt, und nicht nur die Tante und der Onkel, sondern ganz fremde Gäste blicken ihrer unverhaltenen Begeisterung wohlgefällig nach. Wie ein Stein durchs Fenster klirrt sie in die Hotelhalle hinein, hinter ihr kreiselt, mächtig 66
back to the  book Rausch der Verwandlung"
Rausch der Verwandlung
Title
Rausch der Verwandlung
Author
Stefan Zweig
Date
1982
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
204
Categories
Weiteres Belletristik
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Rausch der Verwandlung