Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Weiteres
Belletristik
Rausch der Verwandlung
Page - 69 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 69 - in Rausch der Verwandlung

Image of the Page - 69 -

Image of the Page - 69 - in Rausch der Verwandlung

Text of the Page - 69 -

tanzen, immer gibt’s gleich ein Hallo und Miteinander und Durcheinander. Den ganzen Tag knattert und flitzt dieses Feuerwerk beschäftigungsloser Geschäftigkeit, unablässig gibt es was zu sporten, zu rauchen, zu knabbern, zu lachen, und ohne Widerstand wirbelt sie mit, wenn irgendeiner dieser jungen Burschen nach dem Fräulein von Boolen ruft, denn wie ein Nein sagen und warum, sie sind ja so herzlich, diese jungen frischen Menschen, Burschen und Mädel, nie hat sie diese Art Jugend gekannt, immer sorglos und aufgekratzt, immer anders hübsch angezogen, immer Spaß auf den Lippen, immer Geld zwischen den Fingern, immer neue Amüsements im Kopf; kaum sitzt man mit ihnen, so schmettert das Grammophon schon zum Tanz, oder das Auto steht da und man klaubt und drückt sich zusammen, jung gegen jung, fünf oder sechs in einen Wagen, enger, als ob man sich umarmte, und saust dahin, 60, 80, 100 Kilometer, daß einem die Haare schmerzen. Oder man räkelt in der Bar mit übergeschlagenen Beinen, saugt kalte Drinks, die Zigarette im Mund, faul fleglerisch und locker, braucht sich keine Mühe zu geben und hört allerhand hübsche, kitzlige Geschichten, all das lernt sich so leicht und lockert einen so wunderbar auf, und mit gleichsam andern, neuen Lungen trinkt sie diese tonische Lebensluft. Manchmal spürt sie freilich dieses Warmwerden wie ein Wetterleuchten im Blut, besonders abends beim Tanz oder wenn im Dunkel einer dieser geschmeidigen jungen Männer schärfer herandrängt: auch bei ihnen spielt unter der Kameradschaft ein Werben mit, aber anders, offener, kühner, körperlicher, ein Werben, das die Ungewohnte manchmal erschreckt, etwa wenn sie im Dunkel des Autos eine harte Hand ihr Knie umschmeicheln fühlt oder beim Spaziergang das Unterfassen zärtlicher wird. Aber die andern Mädel, die Amerikanerin und Mannheimerin, dulden das alle ohne Ärger, quittieren höchstens allzu freche Finger mit kameradschaftlichem Klaps, warum zimperlich sich wehren, schließlich ist’s doch irgendwo wohl zu merken, wie der Ingenieur immer heftiger einsetzt oder der kleine Amerikaner zu einem Spaziergang sacht waldwärts locken möchte. Sie tut’s nicht, aber doch, mit einem kleinen, neuen Stolz fühlt sie das Begehrtsein, die neue Gewißheit, daß ihr warmer, nackter, unberührter Körper unter dem Kleid etwas ist, was Männer atmen, fühlen, betasten, genießen möchten. Tief unter die Haut spürt sie das alles wie einen feinen Rausch, aus unbekannten und betörenden Essenzen gemacht und ständig umworben von so viel fremden und bezaubernd eleganten Männern und selber schon schwindlig von diesem erregten Umringtsein, schüttelt sie sich einen Augenblick wach und fragt sich ganz erschrocken: »Wer bin ich? Wer bin ich denn eigentlich?« »Wer bin ich denn? Und was finden sie alle an mir?« Mit immer wieder neuem Erstaunen fragt’s sich die Überraschte Tag für Tag. Jeden Tag drängen neue andere Zeichen der Aufmerksamkeit an sie heran. Kaum sie aufwacht, 69
back to the  book Rausch der Verwandlung"
Rausch der Verwandlung
Title
Rausch der Verwandlung
Author
Stefan Zweig
Date
1982
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
204
Categories
Weiteres Belletristik
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Rausch der Verwandlung