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Rausch der Verwandlung
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Page - 89 - in Rausch der Verwandlung

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und seine Frau haben das Maul am weitesten aufgerissen, Sie hätten sich einen Spaß mit ihnen erlaubt und ein kleinbürgerliches Mädchen mit Kleidern ausstaffiert und ihnen unter einem falschen Namen als Dame präsentiert – als ob dieser Flachkopf überhaupt wüßte, was eine wirkliche Dame ist. Ich muß Ihnen wohl nicht erst betonen, daß der große Respekt und die große … die sehr große … die aufrichtige Sympathie, die ich für Miss Christiana empfinde, sich nicht um einen Fingerbreit verminderte, wenn sie tatsächlich aus .. engen Verhältnissen stammte … vielleicht hätte sie gar nicht jene wunderbare Art Dankbarkeit und Freude, wenn sie so mit Luxus verwöhnt wäre wie dieses eitle Pack. Ich persönlich sehe also nicht das mindeste daran, daß Sie in Ihrer Güte sie mit Ihren Kleidern beschenkt haben, im Gegenteil, und wenn ich Sie überhaupt nur nach der Richtigkeit fragte, so geschah es einzig, um diesem niederträchtigen Geschwätz mit der Faust die Zähne einschlagen zu können.« Frau van Boolen ist der Schreck von den Knien bis in die Kehle gestiegen, dreimal atmet sie an, ehe sie Kraft findet, um ruhig zu antworten. »Ich habe gar keinen Grund, lieber Lord, vor Ihnen das geringste über die Herkunft Christines zu verschweigen. Mein Schwager war ein sehr großer, einer der angesehensten und reichsten Kaufleute in Wien« (hier übertrieb sie kräftig), »hat allerdings, wie gerade die anständigsten Leute, durch den Krieg sein Vermögen verloren, die Familie hatte es nicht leicht, durchzuhalten. Sie hielten es für ehrenhafter, zu arbeiten, als sich von uns unterstützen zu lassen, und so steht Christine heute im Staatsdienst, beim Post Office, was, ich hoffe, doch keine Schande ist.« Lord Elkins sieht lächelnd auf, seine gebückte Haltung verschwindet: ihm ist sichtbar leichter. »Sie fragen das jemanden, der selbst vierzig Jahre im Staatsdienst gestanden hat. Ist dies eine Schande, so teile ich sie mit ihr. Aber nun wir uns klar ausgesprochen haben, wollen wir auch klar denken. Ich habe sofort gewußt, alle diese bösartigen Gehässigkeiten sind niedriges Geschwätz, denn dies ist ja einer der wenigen Vorteile des Alters, daß man sich selten in Menschen völlig täuscht. Nehmen wir die Dinge wie sie sind: die Situation Miss Christianas wird, so fürchte ich, von jetzt ab keine leichte sein, es gibt ja nichts Rachsüchtigeres und Hinterhältigeres als die kleine Gesellschaft, die gern die große sein möchte. Ein aufgeblasener Lümmel wie dieser Trenkwitz wird sich das zehn Jahre nicht verzeihen, zu einer Postangestellten höflich gewesen zu sein, das wurmt einen solchen alten Strohkopf mehr als ein kranker Zahn. Auch bei den andern halte ich es nicht für ausgeschlossen, daß sie sich nicht Ihrer Nichte gegenüber Taktlosigkeiten erlauben, zumindest Frost und Unhöflichkeit wird sie zu spüren bekommen. 89
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Rausch der Verwandlung
Title
Rausch der Verwandlung
Author
Stefan Zweig
Date
1982
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
204
Categories
Weiteres Belletristik
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