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Rausch der Verwandlung
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beschämt sie ein wenig, aber wie darf sie diese Ehre verweigern! Stark, langsam und fest geht Lord Elkins mit ihr ganz durch die Halle. Er sieht jeden einzelnen an mit einem rapiden scharfen Blick, was sonst nicht seine Gewohnheit gewesen ist; deutliche Drohung ist unverkennbar in seiner Haltung: rührt sie nicht an! Gewöhnlich geht er freundlich und höflich, ein stiller grauer Schatten durch die andern, man merkt ihn kaum, jetzt aber fixiert er herausfordernd jede fremde Pupille. Alle verstehen sofort das Demonstrative dieses Armbindens und seiner betonten Reverenz. Die Geheimrätin starrt schuldbewußt auf, Kinsleys grüßen gleichsam erschrocken, wie der alte unerschrockene Paladin mit dem schneeweißen Haar frostigen Blicks mit dem jungen Mädchen durch den breiten Raum schreitet, sie stolz und glücklich, ohne irgend etwas Arges zu denken, er einen harten, militärischen Zug um die Lippen, als stände er an der Spitze seines Regiments und hätte Attacke zu kommandieren gegen einen verschanzten Feind. Vor der Hoteltür steht zufällig Trenkwitz, als die beiden heraustreten; unwillkürlich grüßt er. Lord Elkins sieht mit Absicht schief an ihm vorbei, hebt die Hand halb zur Mütze und läßt sie gleichgültig wieder fallen; wie man einem Kellner für seinen Gruß dankt. Unbeschreibliche Verächtlichkeit liegt in der Geste: es ist wie ein kalter Hieb. Dann läßt er Christines Arm, öffnet persönlich den Wagenschlag und lüftet den Hut, während er seiner Dame einsteigen hilft: es ist dieselbe respektvolle Gebärde, mit der er seinerzeit der Schwiegertochter des Königs von England bei einem Besuch in Transvaal ins Auto geholfen hat. Frau van Boolen ist über die diskrete Mitteilung Lord Elkins’ bedeutend mehr erschrocken gewesen, als sie hat merken lassen, denn ohne es zu ahnen, hat er die empfindlichste Stelle aufgerissen. Tief unten in jener Dämmerschicht des Halbwissens und nicht mehr Wissenwollens, in jener glatten und glitschigen Sphäre, in die sich das eigene Ich nur ungern und schaudernd wagt, wohnt in dieser längst bürgerhaft gewordenen und banalen Claire van Boolen eine jahrealte unauslöschbare Angst, die sonst nur manchmal im Traum aufsteigt und ihr den Schlaf zerreißt: die Angst vor der Entdeckung der eigenen Vergangenheit. Als nämlich vor dreißig Jahren die aus Europa listig abgeschobene Klara ihren van Boolen kennenlernte und heiraten sollte, fehlte ihr der Mut, dem redlichen, aber etwas philisterischen Bürger anzuvertrauen, aus welchem trüben Ursprung das kleine Kapital stammte, das sie mit in die Ehe brachte. Entschlossen hatte sie ihm damals vorgelogen, diese zweitausend Dollar seien vom Großvater ererbt, und nicht eine Minute während der ganzen Ehe zweifelte jemals der arglose, verliebte 91
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Rausch der Verwandlung
Title
Rausch der Verwandlung
Author
Stefan Zweig
Date
1982
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
204
Categories
Weiteres Belletristik
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