Page - 86 - in Regularisierungen irregulär aufhältiger Migrantinnen und Migranten - Deutschland, Österreich und Spanien im Rechtsvergleich
Image of the Page - 86 -
Text of the Page - 86 -
für sich bzw gegebenenfalls für ihre Familienangehörigen verfügen.284
Wer die Existenzmittel vorweist – die Unionsbürger*innen oder ihre Fami-
lienangehörigen – spielt keine Rolle.285 Unstrittig ist sowohl nach der stän-
digen Rspr des EuGH als auch der herrschenden Lehre, dass das längerfris-
tige Aufenthaltsrecht solange besteht, wie die ökonomischen Vorausset-
zungen vorliegen.286 Bedeutend ist, dass Unionsbürger*innen und ihre Fa-
milienangehörigen während des längerfristigen Aufenthalts grundsätzlich
keinen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats ha-
ben.287 Farahat schreibt hier zutreffend, dass nichterwerbstätige Unions-
bürger*innen „ökonomisch abgesichert“ sein müssen.288 Ökonomisch
schlecht gestellte Personen werden zunehmend von den Freizügigkeits-
rechten ausgeschlossen. Im Lichte der Rspr des EuGH und der einschlägi-
gen Literatur ist es umstritten, ob das längerfristige Aufenthaltsrecht auto-
matisch bei Nichterfüllen der ökonomischen Voraussetzungen endet,289
oder ob eine konstitutive Entscheidung des Mitgliedstaats getroffen wer-
den muss.290 Aus der FreizügigkeitsRL geht klar hervor, dass die Mitglied-
staaten nicht systematisch überprüfen dürfen, ob ausreichend Existenzmit-
tel vorliegen,291 vielmehr muss ein gegebener Anlass für eine Überprüfung
284 Art 7 Abs 1 litb FreizügigkeitsRL; siehe EuGH 19.10.2004, C-200/02,
ECLI:EU:C:2004:639, Zhu und Chen, Rn27ff. Studierende müssen ähnliche
Voraussetzungen erfüllen, um in den Genuss eines Aufenthaltsrechts für einen
Zeitraum von mehr als drei Monaten zu kommen. Siehe die allgemeinen Vor-
aussetzungen in Art 7 und die speziellen Voraussetzungen in Art 11 Studieren-
denRL. Siehe auch EuGH 10.9.2014, C-491/13, ECLI:EU:C:2014:2014:2187, Ala-
ya, Rn23ff zur alten Fassung der StudierendenRL und den einschlägigen Art 6
und 7 Richtlinie (EG) 2004/114 über die Bedingungen für die Zulassung von
Drittstaatsangehörigen zur Absolvierung eines Studiums oder zur Teilnahme an
einem Schüleraustausch, einer unbezahlten Ausbildungsmaßnahme oder einem
Freiwilligendienst, ABl2004 L 375/12.
285 Vgl Obwexer, Grundfreiheit 196.
286 Art 14 Abs 2 iVm Art 7, 12 bzw 13 FreizügigkeitsRL; vertiefend Dougan in Mick-
litz/De Witte 124ff mwN. Vgl auch die englische Fassung von Art 7 Abs 1 litb
FreizügigkeitsRL: „not to become a burden on the social assistance system of
the host Member State during their period of residence“.
287 EuGH 20.9.2001, C-184/99, ECLI:EU:C:2001:458, Grzelczyk, Rn46; Kostakopou-
lou in Micklitz/De Witte 178, 184.
288 Farahat in Kadelbach 108ff.
289 EuGH 21.7.2011, C-325/09, ECLI:EU:C:2011:498, Dias, Rn48, 54; vgl Thym,
When Union Citizens Turn into Illegal Migrants: The Dano Case, ELR 2015,
248 (256f).
290 Vgl Wollenschläger, Grundfreiheit ohne Markt (2007) 186ff mwN; zustimmend
Obwexer, Grundfreiheit 196f; Frenz, Europarecht Rn4082.
291 Art 14 Abs 2 FreizügigkeitsRL.
Kapitel 1 – Die Mehrebenenanalyse der Aufenthaltsrechte von Migrant*innen
86
https://doi.org/10.5771/9783748902720, am 28.01.2020, 12:12:37
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
Regularisierungen irregulär aufhältiger Migrantinnen und Migranten
Deutschland, Österreich und Spanien im Rechtsvergleich
- Title
- Regularisierungen irregulär aufhältiger Migrantinnen und Migranten
- Subtitle
- Deutschland, Österreich und Spanien im Rechtsvergleich
- Author
- Kevin Fredy Hinterberger
- Publisher
- Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0272-0
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 514
- Category
- Recht und Politik