Page - 9 - in Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
Image of the Page - 9 -
Text of the Page - 9 -
Schuberfahrenhatten.ErveröffentlichteGedichte indenvon Jugendstilmalern
und -graphikern reich illustrierten BlÀttern Ver Sacrum, Pan, Jugend und Die
Insel. Heinrich Vogeler (1872â1942), Maler der ersten Generation der KĂŒnstler-
kolonieWorpswede,verzierteSchaukalsBuchPierrotundColombine (1902).Mit
ihm sowie mit denMalern Carl Moll (1861â1945) undMaximilian Liebenwein
(1869â1926) fĂŒhrte er ausgedehnte Korrespondenzen. Als Beamter und homme
de lettres profitierte Schaukal also von der Technisierung und einer beschleu-
nigtenKommunikationweitĂŒberWienhinaus.
Man kann sich diesbezĂŒglich Richard Schaukals soziale Welt als ein Ă€u-
Ăerst produktivesKommunikationsdispositiv vorstellen, das imZugewachsen-
der Literarisierung einen umfangreichen Resonanz-Raum erzeugte. In diesem
wurden soziale, politische, kulturelle und vor allem Àsthetische Themen ver-
handelt;derRaumwaralselitÀre,die trivialeLiterarisierungnegierendeSphÀre
konzipiert.Wiewichtig Schaukal Lesen, Schreiben, dasVerschicken, Sammeln
und Speichern von Schrift war, offenbart sich nicht zuletzt in der Flut seiner
Korrespondenzen.âDennLesen ist jaauĂerSchreibenmein âLebenszweckââ, so
SchaukalMitteder 1930er JahreanAlfredKubin(1877â1959).25
Die âkommunikative Leidenschaftâ des frĂŒhen BĂŒrgertums, die auf einem
neuen Transportsystem grĂŒndete,26 kehrte in seiner Briefkultur und Sammel-
praxis als Reflex einer Klasse wieder, der Schaukal eigentlich zu entweichen
suchte. Die LektĂŒre und das Verfassen, Empfangen und Senden von Briefen,
Postkarten,TelegrammenundBilletsbeanspruchtevielLebenszeit,wieanhand
der umfangreichen Hinterlassenschaft ersichtlich ist; mit RĂŒckgriff auf Bour-
dieu lÀsst sichbehaupten,dasbestÀndigwachsendeSchriftguterzeugte,beein-
flusste und festigte Schaukals ureigentlichstes âDispositionssystemâ.27 Die
fortwÀhrendenpostalischenSendungenwurdenzuwesentlichenBestandteilen
und Zeugnissen der inkorporierten und objektiviertenMerkmale (Habitus und
Besitz), inseinemFallvorallemImmobilien,BĂŒcherundGemĂ€lde.Fotoaufnah-
menausSchaukalsBiedermeiervilla inGrinzingbelegen jeneobjektiviertenLe-
bensgewohnheitendesSchriftstellersundseinerFamilie, ein IneinanderflieĂen
von ausgestelltem und gelebtemBildungskapital, das zugleich soziale Selbst-
verortung war. Nahezu jeder Raum der Villa war angefĂŒllt mit BĂŒchern bis
unter die Decke, mit dunklen Möbeln und Kopien bedeutender GemÀlde von
25 BriefSchaukalsanKubin, 19.MĂ€rz1935,SammlungAlfredKubin,BayerischeStaatsbibliothek
MĂŒnchen(imFolgendenzit. alsK-S,BSB).
26 Kaschuba:DieĂberwindungderDistanz,S.43.
27 Bourdieu:Die feinenUnterschiede,S. 25.
Einleitung:WiderspruchsgeisteinesBeamtendichters 9
Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Title
- Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Author
- Cornelius Mitterer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Berlin
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-061823-5
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 312
- Categories
- Weiteres Belletristik