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Regeln eines Spiels zu glauben, sind demnach seine entscheidenden Grund-
voraussetzungen.VermutlichspieltBourdieumitdemBegriffder Illusioaufdie
Mehrdeutigkeit des lateinischen illudere an, das etymologisch auch in seinem
AufsatzâLâillusionbiographiqueâ (1986)anklingtundaufdieKonstruktionvon
Gesellschaft und Lebenslauf verweist. Die Felder gleichen aberweniger einem
Spielfeld als einem soziologischen Markt, in dem die Kapitalsorten ungleich
verteilt sind.
BourdieubetrachtetHabitusalserlernbarenAusdruck,derPraktikenerzeuge,
welche die Zugehörigkeit zu einer bestimmtenKlasse stiften unddiesen sozialen
Standpunkt auchnachauĂenvertreten. Sogehört das literarische Schreibenund
dieWahl der Gattung zu Praxisformen, die zugleich auch Distinktionsmerkmale
sind. KĂŒnstlerische TĂ€tigkeit kann etwa eine bewusste soziale Abgrenzung von
handwerklichenoder sportlichenAktivitÀten sein. Andererseits distanzierten sich
zurZeitderModerne âDichterâauchvon âSchriftstellernâ, diealsTrivialautorenan-
gesehenwurden. Neben der Neigung und (auch ökonomischen) FÀhigkeit, diese
Distinktionspraktiken anzuwenden oder sich anzueignen, spielt der Geschmack
einewesentlicheRolle fĂŒrdasmitdemHabituskonformgehende Ineinandergrei-
fenvon inkorporiertenundobjektiviertenMerkmalen,die insgesamtdenklassen-
spezifischen Lebensstil prÀgen. Es ist an dieser Stelle bereits auf Schaukals
Dispositionssystemhingewiesenworden,welchessichausdemideellenwiemate-
riellen Umgangmit Lesen und Schreiben sowie aus seiner Ausdrucksweise, der
EinrichtungseinesHausesunddemKleidungsstilzusammenfĂŒgt.
Die Verbindung von Autor-Habitus und der literarischen Darstellung des
Habitus ist inSchaukalsDandyromanAndreas vonBalthesseraugenscheinlich.
BourdieuerlÀutert indiesemKontextdasZusammenspiel vonWerkundSchöp-
fer mit den Begriffen opus operatum undmodus operandi. Zwischen dem er-
und bearbeitetenWerk (opus operatum) sowie der Art undWeise des Er- und
Bearbeitens (modus operandi) besteht einWechselverhÀltnis, das denHabitus
des Schöpfers in die Struktur seinesWerkes ĂŒbersetzt. Aus diesem lassen sich
wiederum RĂŒckschlĂŒsse auf den Lebensstil des Verfassers ziehen. In âOpusâ
und âModusâzeichnetsichderganzeMenschab,seineWeltanschauungundAr-
beitsmoral.BourdieuveranschaulichtdiesesPrinzipanhandderTĂ€tigkeit eines
Kunsttischlers. In dieser verbinde sich der Lebensstil mit den Charaktereigen-
schaftenzueinem individuellenDispositionssystem.186Auchder âSchriftsteller
als Subjekt einer literarischen Objektivierung ist demnach selbst im Sozialge-
fĂŒge des literarischen Feldes zu objektivierenâ, so Wolf. Literarische Figuren
186 Vgl.Bourdieu:DieRegelnderKunst,S. 283.
3 SozialeWeltundgeistigerRaum 49
Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Title
- Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Author
- Cornelius Mitterer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Berlin
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-061823-5
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 312
- Categories
- Weiteres Belletristik