Page - 53 - in Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
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dung, die unweigerlich mit Andreas von Balthesser in Verbindung gebracht
wird, wirken unterschiedliche Autorschaftsebenen und Repräsentationsformen
des sozialenKörpers ineinander, die über denText unddie Zeit hinaus auf die
BetrachtungundSelbstdarstellungeinesLebensEinflussnehmen.MitdenAus-
führungen von Peter-André Alt ist hinsichtlich der Beziehung von Leben und
Werk für die biographische Erschließung festzuhalten, dass „erst dort, wo das
WerkzumObjektder Interpretationavanciert, auchdasSchriftstellerlebenseine
eigeneInszenierungsformenthĂĽllt.WerkundLebenmĂĽssen in ihrerWechselbe-
ziehunguntersuchtwerden,umMythisierungenzuvermeiden.“2 SchaukalsAn-
dreas von Balthesser verdeutlicht, wie das Werk nicht nur durch den Autor
hervorgebracht wird, sondern auch ein Autorleben repräsentiert, reinszeniert
und imitiert. Bisweilen sindbiographischeBegebenheiten literarisch vorwegge-
nommen,soeinGedanke,denAlt inseinerKafka-Biographieaufgreift.3
DieFotografie,dieSchaukalalsDandyablichtet,belegt eineStilisierungdes
Lebens, die vom Habitus ausgeht und Sprache mit Körpersprache gleichsetzt.
DasPrimatderForm transportiert diedistinktivenMerkmaleunddieZugehörig-
keit zu einer bestimmtenGesellschaftssicht. Schaukals aristokratischerHabitus,
der sich inderFotografie zeigt unddeneraufAndreas vonBalthesserüberträgt,
drücktsich insbesondere inder„langsamenGebärde“undim„langsamenBlick“
desAdels aus.4 ImDandybuch ist diegestischeEntschleunigungzugleich sozia-
lesBekenntnis.Schaukalstelltdiese ingedehntererzählterZeitdar:
AndreasvonBalthesser,vomVorsitzendenanseineSeitegebeten,hobdasMonokelausder
rechten Augenhöhle, hielt es mit steifem Unterarm aufmerksam eineWeile vor sich hin,
faßte das gewölbteGlas dann zwischen zwei Finger der Linken, entnahmmit der Rechten
demFrack–diebeidenwaren,wiemanflüsterndauffing,unmittelbarvoneinemDinerge-
kommen– einungeheuer großesTaschentuch, entfaltete es, putztedasMonokelumständ-
lichblank,und indemer sich, seinGlaswieder vormAuge,mit einer leichtenVerbeugung
gegen die ihm voll schlecht verhehlter Neugier zugekehrten Gesichter wendete, sagte er
halblautundetwasnäselnd:„MeineHerren!“5
Mit Blick auf Schaukals Briefpartner Thomas Mann beschreibt Tim Lörke die
Funktion von Selbstinszenierungen dieser Art als „Ergebnis bewusster und
kontrollierterHandlungen, die allesamtdieWahrnehmungder eigenenPerson
2 Alt:ModeohneMethode?,S. 29.
3 Vgl.Peter-AndréAlt:FranzKafka:DerewigeSohn.EineBiographie.München2005,S. 14.
4 FriedrichNietzsche: SämtlicheWerke in zwölf Bänden. Bd. 9: DerWille zurMacht. Ausge-
wertet und geordnet von Peter Gast unterMitwirkung von Elisabeth Förster-Nietzsche. Stutt-
gart 1964,S.630,Aph.943.
5 Schaukal:LebenundMeinungendesHerrnAndreasvonBalthesser,S. 231–232.
1 FotografiealsBiographie 53
Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Title
- Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Author
- Cornelius Mitterer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Berlin
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-061823-5
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 312
- Categories
- Weiteres Belletristik