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deutscheHeimat“ zu erblicken.79Wie stark sich indemkurzenPortrait Schau-
kalskulturelle,geschichtliche,biographischeundästhetischePrägungverdich-
tet, zeigt die abschließende Epiphrase: „Ich bin in ihm, demMenschen, dem
Künstler,demStaatsmann,zuHause,beimir.“80
3.2 DiehoheSchuledergeschmeidigenSelbstdarstellung
Richard Schaukal verfolgtemit seinenbiographischenPortraits, Essays undMo-
nographiendieStrategiederSelbstmodellierung,SubjektivierungundSelbsterhe-
bung in den dichterischen Rang. Die Ästhetisierung der Kritik, die Aufwertung
der Kritikerposition und die Literarisierung essayistischer Beiträge, die ab 1890
auchÖsterreich erreicht hatte, beeinflusste Schaukals selbstreferentielle biogra-
phische Herangehensweise. Er selbst bezeichnete diese Form der Referentialität
als „‚hoheSchule‘der geschmeidigenSelbstdarstellung“.81Wiedargelegt, bilden
ästhetische Vorlieben und Gemeinsamkeiten die entscheidenden Auswahlkrite-
rien seiner biographischen Darstellungen, die mit Scheuers Ausführungen zur
vita contemplativa konform gehen. Die poetische Verortung der eigenen Person
überbiographisch-narrativeMittelgeht stilistischundthematischaufFormender
Lebensbeschreibungzurück,wiesie im19. Jahrhundertverbreitetwaren.Zu jener
Zeit entstanden inDeutschlandundÖsterreichbiographischeEssaysüberKünst-
ler,dievordergründigauf ihrästhetischesWirkenausgerichtetblieben.EinBezug
zwischenWelt und Individuumwurde zwar nicht grundsätzlich geleugnet, aber
indenBereichdergeistigenWeltbeziehungdesKünstlersenthoben,„dargestellte
sozialeKontaktemusstendurchgeistigeBeziehungenbestimmtsein.“82
AuchSchaukals EssayüberKraus ist der „Versuch eines geistigenBildnis-
ses“, so der Untertitel, und knüpft an die Formder vita contemplativa an, die
dasasketisch-geistigeWirkenvonKarlKrausdemursprünglichenSinndesBe-
griffs entsprechend inzumTeil religiöserDiktionhervorhebt. Schaukalwidmet
den Essay dem katholischen Schriftsteller Theodor Haecker (1879–1945). Otto
Forst-Battaglia (1889–1965), der Schriftleiter der Reihe, in derKarl Kraus 1933
erschienen ist, wünscht sich im Geleitwort eine einschlägige Leserschaft: die
„gebildeten,positiv-gläubigenDeutschen“.83
79 Schaukal: Bismarck. In: Schaukal: Zeitgemäße deutsche Betrachtungen. München 1916,
S.9–11,hierS. 11.
80 Schaukal:Bismarck,S. 11.
81 Schaukal:KarlKraus,S.52.
82 Klein:Einleitung:BiographikzwischenTheorieundPraxis,S.8.
83 Schaukal:KarlKraus,S. 7. 3 BiographiealsSelbstreflexion 73
Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Title
- Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Author
- Cornelius Mitterer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Berlin
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-061823-5
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 312
- Categories
- Weiteres Belletristik