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Neben der asymmetrischen Netzwerkstruktur beeinflusste vor allem auch
diekognitiveNetzwerkkategorieNeidSchaukalsBestrebungenimdichterischen
Feld negativ. In den Intérieurs setzte er sich mit diesem Thema auseinander
undliefertedabeieine treffendeSelbstanalyse:
Es gibt nichtsHäßlicheres als denNeid.UndderNeid ist zu allem fähig. . .Diese bösen
Menschen kommen alle vomNeide. Sie geben dir das nie zu [. . .]. Duwillst ihnen aus
Liebe für den allzubeschämtenMenschen in ihnen diese groben Beispiele nicht sagen
[Schaukalmeint damit seine Kritikerurteile, CM]. Aber ich rate dir: Sag sie ihnen! Sag
sie ihnen nur ins Gesicht. Erschrick nicht ĂĽber deine Herbheit. Sei rĂĽcksichtslos! Sei
grausam! Sie verdienen nichts Besseres. . . Deine Seele wirst du ihnen ja doch nicht
zeigen.49
ImAustauschmitMannwirddesWeiterenersichtlich,dassSchaukaldie insei-
nenWerken häufig postulierte autonomieästhetische Programmatik nicht un-
eingeschränkt vertrat. Mit der provokativen Nonchalance des mittlerweile
ökonomischUnabhängigenschriebMann:
Lieber Freund, was liegt daran ob nun die Rundschau oder ein anderes Blatt oder zu-
nächst gar kein Blatt Ihre Verse druckenwill, was liegt an demunmittelbaren äußeren
Schicksal unserer Arbeiten! Sie haben sie gedichtet, Sie leisten täglich Neues [. . .]. Und
beneiden Siemich nicht umdie „Absatzquellen“, diemir infolgemeines „Bombenerfol-
ges“ zuGebote stehen! Eswürde Ihnennach einemsolchenErfolge nicht anders gehen,
alsmir: das anfängliche erheiterte Staunenwürde bald demEkel weichen [. . .] und der
Abscheu, in denmodernen litterarischen „Großbetrieb“ hineingezerrt zuwerdenwürde
Sievorder schamlosenDienstfertigkeitder Journale,Zeitschriften,derTheater,derVerle-
ger, vor der verliebten Zudringlichkeit des Publikums empfindlich zurĂĽckschrecken las-
sen. [. . .] Die Ă–ffentlichkeit hat nicht das geringste Interesse an der Erziehung und
ConservierungdesTalentes; siewill einfach ihreSensation.50
Mannergänzt im selbenBrief: „Niemalswar es für einen ernstenKünstler, der
vomErfolg betroffenwird, inhöheremGrade eine sittlicheNotwendigkeit, den
Erfolgzuverachten.“51
SechsMonatenachdiesemBriefbeendeteMannwegenSchaukalsbesagter
Kritik anFiorenzadenKontakt.52 Ein Zusammenhang zwischenMannsErfolgs-
49 Schaukal: Intérieurs aus dem Leben der Zwanzigjährigen. In:WE. Bd. 2: Um die Jahr-
hundertwende.München/Wien1965,S. 31–174,hierS. 171–172.
50 Brief Manns vom 30. April 1905 an Schaukal, in: Girardi (Hg.): ThomasMann: Briefe an
RichardSchaukal,S. 101 (TMSch70).
51 Girardi (Hg.):ThomasMann.BriefeanRichardSchaukal,S. 101.
52 Der letzte Brief, in dem Mann Schaukal die Freundschaft aufkĂĽndigt, datiert auf den
14. Oktober 1905; vgl. Girardi (Hg.): ThomasMann: Briefe an Richard Schaukal, S. 107–109
(TMSch75).
106 III Schaukal inNetzwerkenundFeldernderModerne
Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Title
- Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Author
- Cornelius Mitterer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Berlin
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-061823-5
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 312
- Categories
- Weiteres Belletristik