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automatisch inKraft trat, sobaldeinösterreichischerStaatsbürgerbei einemVer-
lag imdeutschen Kaiserreich unter Vertrag stand.69 Darüber hinaus lockten ein
größerer Absatzmarkt und höhere Honorare in der insgesamt stärkeren Mark-
Währung.70
Karl Krauswar derMeinung, dass sich inWien Feuilleton und Zeitungswe-
sen ungünstig auf die Entwicklung des freien Schriftstellers auswirkten. Berlin
verfügte hingegen über vorteilhaftere Verlagsstrukturen und somit auch über
eineavancierteLiteratur,diedasPublikumdirekter ansprechenwürde.71Bis zur
Gründungdes Zsolnay-Verlages im Jahr 1924 existierte inÖsterreich-Ungarnbe-
ziehungsweise der Ersten Republik kein nennenswerter belletristischer Verlag.
Autoren suchtenmeist in Deutschland nach geeigneten Veröffentlichungsmög-
lichkeiten.72 Das trifft auch auf Schaukal zu, der den Großteil seinerWerke im
Nachbarlanddrucken ließ undüber ThomasMannKontakte zu Samuel Fischer
undAlbert Langenknüpfenwollte.73DerungünstigenVerlagssituation inÖster-
reichstandeinprosperierenderMarkt imdeutschenKaiserreichgegenüber. Tho-
masMannwunderte sich ineinemBrief anSchaukal:„Ichbegreifenicht,wiees
Ihnen so schwer fallen kann, für Ihre SachenVerleger zu finden. Insel-V., See-
man [sic!], Diederichs etc,–dieNachfrage ist ja zur Zeit vonseiten derVerleger
größer,alsvonunserer!“74
ImGegensatz zuMannkamSchaukal bei keinemder angesehenenKultur-
verlage der Zeit dauerhaft unter. Seine Publikationsliste offenbart eine konti-
nuierliche Suche nach dem einen, richtigenVerlagshaus. Er veröffentlichte in
den frühen Jahren seines Schaffens nicht nur bei Schuster & Löffler, einem
1895 in Berlin gegründetenVerlag, der jungenDichtern der Neuromantik eine
Publikationsmöglichkeit bot,75 sondern auch bei den in Leipzig angesiedelten
69 Österreich trat erst nach Ende des Krieges der Berner Übereinkunft bei; vgl. Bachleitner/
Eybl/Fischer:GeschichtedesBuchhandels inÖsterreich,S. 250.
70 Vgl.Bachleitner/Eybl/Fischer:GeschichtedesBuchhandels inÖsterreich,S. 204–205.
71 Vgl. Karl Kraus: Lieber, verehrter Herr Harden. In: Die Fackel, Nr. 2 (April 1899), S. 6–18,
hierS.8.
72 Vgl. Peter Sprengel undGregor Streim: Berliner undWienerModerne. Vermittlungenund
AbgrenzungeninLiteratur,Theater,Publizistik.Wien/Köln/Weimar1998,S.31.
73 Vgl. den Brief Manns an Schaukal, in: Girardi (Hg.): Thomas Mann: Briefe an Richard
Schaukal,S.43 (TMSch18).
74 BriefManns vom19.Mai 1903 anSchaukal, in: Girardi (Hg.): ThomasMann:Briefe anRi-
chardSchaukal,S.67 (TMSch38).
75 NebenSchaukal veröffentlichte Schuster&Löffler auchRichardDehmel,Detlev vonLili-
encron und Otto Julius Bierbaum. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Verlag von der
Deutschen Verlags-Anstalt aufgekauft. Vgl. Das JungeWien. Österreichische Literatur- und
Kunstkritik 1887–1902. 2Bde.Hg.vonGotthartWunberg.Tübingen1976,Bd. 2,S. 761.
1 VerlagsstrukturenundVerlagsnetzwerke 111
Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Title
- Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Author
- Cornelius Mitterer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Berlin
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-061823-5
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 312
- Categories
- Weiteres Belletristik