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Einleitende
Überlegungen16
einer Verknüpfung von Kunst und Leben auszuloten. Man denke hier nur an die
Methode der Sozial- und Bildstatistik von Otto Neurath, die unter anderen von
Begegnungen mit El Lissitzky mitinspiriert worden ist und auf diesen Eindruck
gemacht haben muss, wie nachfolgende Kontakte und ein Besuch El Lissitzkys
im Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum 1928 in Wien nahelegen.14
Mit El Lissitzky ist neben Marc Chagall, Kazimir Malevič (gem. offiz. Trans-
literation) und insbesondere Vladimir Tatlin einer der Hauptvertreter des rus-
sischen Konstruktivismus mit angesprochen. Dieser wurde in Wien erstmals
im Zuge eines Lichtbildervortrags im November 1920 einem zwar kleinen, aber
interessierten Kreis präsentiert und ab 1921 wiederholt in der von Lajos Kossuth
herausgegebenen Zeitschrift MA der ungarischen Exil-Avantgarde in Österreich
thematisiert.15 1921 ist auch das Buch Drei Monate in Sowjet-Russland des aus
Budapest gebürtigen Arthur Holitscher bei S. Fischer erschienen, das naturge-
mäß, vor allem mit Bezug auf monumentale Bau-Skulptur-Projekte Tatlins in
St. Petersburg und Moskau, in Wiener Zeitungen rezipiert und kommentiert
worden ist.16 Im selben Jahr hat auch Fritz Karpfen, vormaliger Miteigentümer
des Genossenschaftsverlags und an mehreren expressionistisch-aktivistischen
Zeitschriften-Unternehmungen (Daimon, Aufschwung, Ver! oder am Verlag der
Revolution) beteiligt, sein Buch Gegenwartskunst. Rußland vorgelegt, womit zeit-
gleich zur Rezeption durch MA auch für österreichische, des Ungarischen nicht
14 Vgl. Sophie Lissitzky-Küppers:
Lissitzky zu Besuch im Gesellschafts- und Wirtschafts-
museum. In: Volker Thum (Hg.): Wien und der Wiener Kreis. Orte einer unvoll-
endeten Moderne. Wien: Facultas 2003, S. 203; Angélique Groß: Die Bildpädagogik
Otto Neuraths. Methodische Prinzipien der Darstellung von Wissen. Wien: Springer
2015, S.
110. Zur Rezeption Neuraths in der Sowjetunion vgl. Julia Köstenberger:
Otto
Neuraths „Wiener Methode“ im Dienste der sowjetischen Propaganda. In: Moritz,
Gegenwelten, S. 275–283.
15 Den Vortrag hielt der TASS-Korrespondent Konstantin Umanskij, der 1920 das Buch
Neue Kunst in Rußland, auf das vermutlich Bezug genommen wurde, veröffentlicht
hatte; vgl. dazu die Buchanzeige in:
Neues Wiener Tagblatt (1.2.1920), S.
17, bzw. Her-
mann Menkes: Die Kunst im bolschewistischen Rußland. In: Neues Wiener Journal
(8.8.1920), S. 7. Die erste umfangreiche Vorstellung der russischen Konstruktivisten
in MA erfolgte durch Béla Uitz: Jegyzetek. A MA OROSZ ESTÉLYÉHEZ. In: MA,
H. 4/1921, S. 16. Erstaunlich früh gelangte das Konzept der Tatlin’schen Maschinen-
kunst auch in die Regionalpresse; vgl. dazu: N.N.: Der „Tatlinismus“. In: Salzburger
Volksblatt (4.3.1920), S. 3.
16 Vgl. die Besprechung (mit Akzent auf Tatlin):
N.N.:
Ein Sowjetdenkmal in Petersburg.
300 Meter hoch. In: Neues Wiener Tagblatt (17.4.1920), S.
8.
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Title
- Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
- Subtitle
- Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Author
- Primus-Heinz Kucher
- Editor
- Rebecca Unterberger
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-631-78199-9
- Size
- 14.8 x 21.0 cm
- Pages
- 466
- Category
- Kunst und Kultur