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Julia
Köstenberger40
Baustoffanstalt (GESIBA) Hermann Neubacher (1926)35 und dem Journalisten
Bruno Frei (1928),36 beide ÖG-Mitglieder, hatte man wohl entsprechende Ergeb-
nisse erwartet.
Anfang April 1927 betreute die VOKS in Moskau den Leiter der Theater-
sammlung der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB) Joseph Gregor, als
dieser Objekte für seine geplante Ausstellung Russisches Theater im ersten Viertel
des 20. Jahrhunderts sichten wollte37 – offenbar nicht ahnend, dass in Wien das
Unterrichtsministerium anordnete, die Schau offiziell „aus technischen Grün-
den“ abzusagen. Denn die Staatspolizei befürchtete kommunistische Propa-
ganda und politische Emissäre aus der UdSSR.38 Doch Gregor hatte schon Ende
Februar mit Unterstützung von Otto Pohl, dem österreichischen Gesandten in
Moskau, Kontakt mit der VOKS aufgenommen und sich angekündigt.39 Die
VOKS sandte deshalb am 8. April Rundschreiben an die Theater Moskaus und
Leningrads mit der Bitte um Objekte. Ein Exemplar erhielt das Volkskommissa-
riat für Bildung (Narkompros) zur Kenntnisnahme:
Dieses rügte in einer späten
Reaktion im Mai 1927 das eigenmächtige Vorgehen der VOKS ohne Rückspra-
che mit der zuständigen staatlichen Stelle. Das Narkompros hätte sich wegen
der kurzen Vorbereitungszeit für solch eine „grandiose Ausstellung“ gegen die
Beteiligung ausgesprochen.40 Vermutlich störte das Narkompros die fehlende
Einflussmöglichkeit bei der konkreten Ausstellungsgestaltung. Dieser Fall zeigt
35 Vgl. Hermann Neubacher: Die Union der Sowjetrepubliken. In: Der österreichische
Volkswirt, Nr.
11/1926, S.
298–300. Neubacher wurde in den 1930er Jahren National-
sozialist und nach dem „Anschluss“ 1938 Wiener Bürgermeister.
36 Vgl. dazu die Artikelserie in der Tageszeitung Der Abend von Ende Juni bis Mitte
September 1928 bzw. GARF R-5283/10/161,117: Frei an Kameneva [ca. Okt. 1928].
37 Siehe dazu den Beitrag von Kurt Ifkovits in diesem Band.
38 Vgl. AT-OeStA/AdR AAng BKA-AA NPA:
Liasse Russland 33/1, GZl. 21.753–13/1927,
Abschrift der Note des BKA Z. 101.265-8 vom 31.3.1927 an das BMfU, Abschrift der
Erledigung des BMfU Z. 9486-I/27 an den Generaldirektor der Nationalbibliothek,
8.4.1927.
39 Gregor kündigte die Moskau-Reise für den Zeitraum vom 20.3. bis 2.4.1927 an (vgl.
GARF R-5283/6/952, 96: Brief der Nationalbibliothek, 21.2.1927). Die Reisedaten
änderten sich aber offenbar. Das Informationsbulletin der VOKS vom 8.4.1927 berich-
tet von Gregors Aufenthalt in Moskau. Um diese Zeit legte die VOKS das Referat
Gregors vor der Akademie der Kunstwissenschaften auf den 12. April fest (vgl. GARF
R-5283/6/953, 266:
An Gen. V.A. Fillipovu (GAChN), 8.4.1927. Informacionnyj Bjulle-
ten’ Vsesojuznogo Obščestva Kul’turnoj Svjazi s zagranicej, Nr.13–14 (8.4.1927), S.
20).
40 Vgl. GARF R-5283/6/952, 102–103: Narkompros an VOKS, 17. Mai 1927.
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Title
- Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
- Subtitle
- Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Author
- Primus-Heinz Kucher
- Editor
- Rebecca Unterberger
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-631-78199-9
- Size
- 14.8 x 21.0 cm
- Pages
- 466
- Category
- Kunst und Kultur