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Walter
Fähnders120
verurteilt. Einige ihrer Romane wurden im Rahmen der Exilliteratur-Forschung
der letzten Jahrzehnte wieder aufgelegt.7
2 Eine Frau erlebt den roten Alltag
– Kontext und
Werkgeschichte
„Jeder deutsche Verleger, der etwas auf sich hielt, brachte ein Rußlandbuch her-
aus. Rußland ja und nein, Rußland ja – ja – ja“, lässt Lili Körber 1934 die Titel-
heldin ihres zweiten Buches, Ruth Gomperz, sagen. Sie spielt dabei auf Hans
Siemsens im Rowohlt Verlag veröffentlichtes Buch Rußland, ja und nein von
1931 an; wenig später sollte auch ihr Erstling, Eine Frau erlebt den roten Alltag,
bei Rowohlt erscheinen.8
Tatsächlich erreichte in der Weimarer Republik die Zahl der Russlandbücher
ihren Höhepunkt 1931.9 Bereits Siegfried Kracauer klagte in seiner Rezension
von Körbers Buch in der Frankfurter Zeitung: „Ohne die begrenzte Nützlich-
keit von Reportagen über Sowjetrußland zu verkennen, scheint es mir doch so,
als ob sie in der letzten Zeit allzu dicht auf uns niederströmten.“10 Wollte man
7 Lili Körber:
Die Ehe der Ruth Gomperz. Roman. Mannheim:
persona 1984 [Neuaus-
gabe von Eine Jüdin erlebt das neue Deutschland, zuerst 1934 in Wien und zugleich
Zürich erschienen], bzw. Leipzig:
Kiepenheuer 1988; dies.:
Eine Österreicherin erlebt
den Anschluß. Wien: Brandstätter 1988.
8 Dies., Die Ehe der Ruth Gomperz, S. 20.
9 Vgl. die Verlaufskurve im deutsch-französischen Vergleich bei: Eva Oberlos-
kamp: Fremde neue Welten. Reisen deutscher und französischer Linksintellektuel-
ler in die Sowjetunion 1917–1939. München: Oldenbourg 2011, S. 189; vgl. dazu
auch: Bernhard Furler: Augen-Schein. Deutschsprachige Reisereportagen über
Sowjetrußland 1917–1939. Frankfurt a.M.: Athenäum 1987, S. 146f. Insgesamt sind
zwischen 1921 und 1941 mehr als 900 Berichte über Russlandreisen auf dem deutsch-
sprachigen Buch- und Zeitschriftenmarkt nachgewiesen – leider ohne Kennzeich-
nung österreichischer Provenienzen; vgl. Matthias Heeke:
Reisen zu den Sowjets. Der
ausländische Tourismus in Rußland 1921–1941. Mit einem bio-bibliographischen
Anhang zu 96 deutschen Reiseautoren. Münster u.a.: LIT Verlag 2003 (= Arbeiten
zur Geschichte Osteuropas, Bd.
11), S.
19; vgl. auch:
Wolfgang Metzger:
Bibliographie
deutschsprachiger Sowjetunion-Reiseberichte, -Reportagen und -Bildbände 1917–
1990. Wiesbaden: Harrassowitz 1991. Aus Frankreich stammen etwa 400 Berichte
(über 200 nichtselbständige eingeschlossen), hier war der Höhepunkt 1936/37, also
zu Zeiten der Volksfront-Regierung, nachdem die deutschen Reisen 1933 abrupt
abbrachen (vgl. die Tabelle bei Oberloskamp, Fremde neue Welten, S. 189).
10 S[iegfried] Kracauer: Aus dem roten Alltag. In: Frankfurter Zeitung (24.7.1932,
2. Morgenblatt), S. 5.
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Title
- Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
- Subtitle
- Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Author
- Primus-Heinz Kucher
- Editor
- Rebecca Unterberger
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-631-78199-9
- Size
- 14.8 x 21.0 cm
- Pages
- 466
- Category
- Kunst und Kultur